Historical Platin Band 04
sollten.
Mehr und mehr trafen die zur Taufe der Prinzessin Eleonore geladenen Würdenträger aus der Grafschaft, der Bretagne und ganz England in der Burg ein. Eines Tages hielt Königin Eleonore mit ihrem Gefolge Einzug in der Veste. Nur der Herrscher fehlte, da er gegen die aufsässigen Iren, die den Prinzen John nicht als Statthalter und Vizekönig hatten hinnehmen wollen, zu Felde gezogen war. Der Duc de Bretagne hielt sich viel bei seiner Mutter auf, ein Umstand, der Richard wachsende Sorgen bereitete.
Eines Abends hatte man sich nach der Nachtspeise zu einer Feier zusammengefunden. Nachdenklich beobachtete Roger den links von seiner Mutter an der Ehrentafel sitzenden Herzog und murmelte nach einer Weile: „Es missfällt mir, dass die beiden so viel miteinander zu besprechen haben. Angeblich soll die Königin ihrem Gemahl zürnen, weil er nicht willens ist, die Prinzessin Alix freizugeben. Der französische Herrscher versagt ihm das Recht, seine Schwester noch länger in England zu behalten, und fordert die Rückgabe der Bretagne und des Vexin. Somit sind natürlich nicht nur die Interessen des Prinzen Richard betroffen, sondern auch die seines Bruders Geoffroir.“
„Ich bezweifele, dass Richard Löwenherz großen Wert darauf legt, sich mit Madame Alix zu verheiraten“, warf Richard trocken ein, „es sei denn, aus politischem Kalkül. Was Weiber angeht, hört man die absonderlichsten Geschichten über ihn.“
„Welcher Art?“, fragte Mellisynt neugierig.
„Ist Euch der Name Stephane de Bourbon geläufig, Madame?“, wandte Roger sich an sie.
„Nein.“
„Er ist ein im Volk sehr beliebter Prediger, ein Dominikaner, der berichtet, Prinz Richard habe eines Tages eine der Klosterfrauen in Fontevraud gesehen und so heftig nach ihr verlangt, dass er drohte, das Stift niederzubrennen, so sie ihm nicht ausgeliefert werde. Daraufhin ließ sie ihn befragen, was es sei, das er so anziehend an ihr fände, und er schickte ihr die Antwort, er habe sich in ihre Augen verliebt. Kurz entschlossen habe sie sich ein Messer reichen lassen, sie herausgeschnitten und geäußert, man solle ihm aushändigen, was er derart begehre.“
„ Mon Dieu !“, murmelte Mellisynt und schüttelte sich.
Missbilligend schaute Richard den Baron an.
„Nun, so weit würde Madame Alix gewiss nicht gehen“, sagte Roger auflachend. „Irgendwie dauert sie mich. Sie ist zum Unterpfand in einem Spiel um die Macht geworden, das Henry Plantagenet und sein Sohn austragen. Und Philippe von Frankreich nutzt jede sich ihm bietende Möglichkeit, sein Kronland zu vergrößern. Nicht umsonst hetzt er immer wieder die Prinzen Richard und Geoffroir gegen ihren Vater auf. Da beide ganz offen von ihrer Mutter gegen ihren Gemahl unterstützt werden, dürfte es ihnen auf die Dauer schwerfallen, den Verlockungen ihres französischen Vetters zu widerstehen.“
„Was bedeuten kann, dass Monseigneur erneut den Heerbann ausrufen und Truppen aufstellen lässt“, meinte Richard bedächtig.
„Diese Gefahr sehe auch ich“, stimmte Roger ihm zu.
Die einige Tage zuvor vom Gatten und dem Sire de Beauchamps geäußerten Befürchtungen gingen Mellisynt nicht aus dem Sinn. Bedrückt nahm sie Abschied vom Baron, der mit seiner Verlobten in die Normandie auf sein Stammlehen zurückkehrte, um dort glanzvoll die Vermählung mit ihr zu begehen. Auch vom Grandseigneur und seiner Gattin hieß es, sie würden, sobald Madame Constance sich kräftig genug fühlte, in die Bretagne reisen, jedenfalls noch vor dem Einsetzen der Herbststürme.
Der Gatte hatte die Erlaubnis erhalten, sich nach Edgemoor zu begeben, und brach gegen Ende des Vollmonats auf. Hinter ihm auf seinem Passgänger sitzend, warf Mellisynt einen letzten Blick auf die eindrucksvolle Veste mit den wuchtigen Wehrmauern. Auf den Firsten des Torhauses flatterte das Banner des Duc d’Anjou, geziert mit dem Hermelin der Bretagne und dem Löwen Englands. Im Stillen seufzend wandte sie die Augen ab und dachte daran, dass der Grandseigneur sie irgendwie stets an eine Raubkatze erinnerte, die danach trachtete, alles an sich zu reißen und zu verschlingen.
Den rechten Arm um die Taille des Gemahls gelegt, hielt sie sich fest und hätte sich am liebsten an ihn gelehnt. Ihr war klar, dass er das zwischen ihnen bestehende gespannte Verhältnis ebenso wenig angebracht fand wie sie. Ihre Hoffnung war, dass sich in den kommenden Hartmonaten, wenn man weitestgehend genötigt war, in der Burg zu verweilen, dank der
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