Historical Platin Band 04
bevor, Mylady Mellisynt?“
„Genau kann ich das nicht sagen. Ich nehme jedoch an, dass meine Zeit im Wonnemond gekommen sein wird.“
„Nun, bis dahin fließt noch viel Wasser den Berg hinunter, und Ihr werdet noch sehr häufig unpässlich sein.“
„Der Himmel bewahre mich davor!“, erwiderte Mellisynt aufstöhnend.
„Das ständige Unwohlsein ist das geringste aller Übel“, fuhr Sethrid fort. „Eure Füße werden stark anschwellen. Der Rücken wird Euch schrecklich schmerzen, und …“
„Seid still, Dame Sethrid!“, unterbrach Mellisynt sie ärgerlich. „Ich möchte nicht schon jetzt hören, wie sehr ich später noch leiden werde.“
16. KAPITEL
Das Leben in der Burg nahm den gewohnten Lauf. Der Sommer ging in den ersten Herbstmonat über, und der Schneidetag kam. Das Korn wurde eingefahren; auf der Tenne herrschte rege Betriebsamkeit, und Sack auf Sack voll frisch gedroschenen Dinkels, Roggens und Weizens füllte die Scheuer. Von der in der Vorburg stehenden Mühle wurde das Mehl heraufgeschafft und ins Backhaus gebracht. Hopfen und Malz wurden mit Hefe angesetzt und im Brauhaus zu Bier vergoren. Emsig wurde geschlachtet, das Fleisch gesotten, gepökelt oder geräuchert.
Die Felder wurden bestellt, auf dass man die Wintersaat ausbringen konnte. Holz wurde geschlagen und mit Maultieren in die Burg geschleppt, gespalten und in Scheiten im unteren Gewölbe der Proviantmeisterei gestapelt. Knechte und Mägde sammelten die letzten Früchte der Erde ein und schafften sie in die Vorratslager. Und dann zogen die ersten Nebel über das Land; die Witterung verschlechterte sich, und tagelang prasselte der Regen aus dunklen Wolken.
Raureif überzog eines Tages die Erde und glitzerte im Licht der Sonne auf den Dächern der Veste. Dann fegten kalte Stürme um die Mauern; das dürre Laub wurde von den Ästen gerissen und auf den verschneiten Hof geweht. Die weiße Last drückte auf die Holzdächer, doch der Zimmermann versicherte Mellisynt, sie seien nach dem Abnehmen und der Behebung früherer Schäden wieder gut in die Nuten gesetzt worden, sodass keine Gefahr bestehe, Nässe könne eindringen.
Hin und wieder waren Kuriere mit Nachrichten des Gatten eingetroffen. Heftige Stürme hatten den Aufbruch nach Frankreich für viele Tage hinausgezögert. In Poitiers angekommen, hatte der Gemahl feststellen müssen, dass der Herzog mit der Fürstin das Fest aller Heiligen und den Tag der armen Seelen in Rennes beging. Es hieß, der Landesherr werde erst kurz vor der Wintersonnenwende zurückkehren.
Zur Christnacht, die Mellisynt nun zum zweiten Mal in Burg Edgemoor verbrachte, hatten sich die Stiefsöhne eingefunden. Sie genoss die Abwechselung und erfreute sich an der fröhlichen Gesellschaft der Jungen. Beide waren sehr aufmerksam zu ihr, wiewohl man William gelegentlich anmerkte, dass er sich seines Ranges als Vertreter des Vaters bewusst war.
Durch seine kräftige Gestalt, das schwarze Haar und seine Stimme erinnerte er sie sehr an den Gemahl, besonders dann, wenn er sich mit einem gleichaltrigen Burschen im Hof beim Schwertkampf vergnügte. Dann ging sie, in einen pelzgefütterten Mantel gehüllt, auf den Umlauf, beobachtete ihn und sehnte sich danach, Söhne wie ihn und seinen Bruder zu haben. Und immer wieder betete sie in der Kapelle um eine glückliche, sichere und baldige Heimkehr des Gatten.
Mittlerweile hatte sie erkannt, dass sie sich seiner Meinung über die Liebe anschließen musste. Wenn die innere Beziehung, die von den Sängern in ihren Reimen gepriesen wurde, nicht möglich war, musste man sich mit der Lust des Gemahls begnügen. Je länger Mellisynt den Gatten entbehrte, desto heftiger ersehnte sie seine Liebkosungen.
Sie überlegte, ob sie ihm anvertrauen solle, wie es um sie stand, fand jedoch nicht die richtigen Worte, um den Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Daher schrieb sie ihm nur, dass sie ein Kind erwarte, dessen Bewegungen sie mittlerweile spüre, erwähnte, wie gut es ihr tue, die Stiefsöhne bei sich zu haben, und schloss mit dem Wunsch, ihn so schnell wiedersehen zu können, wie die Umstände es erlaubten.
Lange, dunkle Wintertage verstrichen. Zwei Kuriere trafen ein, doch die Schreiben des Gemahls, die sie ihr überreichten, waren kurz und in kühlem Ton gehalten. Im März taute der Schnee, und das erste Grün zeigte sich. Eine Woche nach Kunigundis verlangte ein weiterer Bote Einlass in die Veste. Die Nachricht, die er Mellisynt
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