Historical Platin Band 04
ließen sie die beiden Seile herab.
„Steht auf, Sire!“, befahl Lambert. „Ich habe Order, Euch unverzüglich zu Monsieur de Graindorge zu bringen.“
An sich war Richard nicht willens, dem Befehl zu folgen. Zu oft war er bereits im Auftrag des Seneschalls von Schindern befragt worden, die das Geständnis aus ihm pressen wollten, er habe im Geheimen gegen den Landesherrn konspiriert. Er sagte sich jedoch, er solle die Gelegenheit nutzen, endlich wieder frische Luft atmen und sich richtig bewegen zu können. Ächzend erhob er sich vom harten Lager, wankte zu den baumelnden Stricken und schob die Arme in die Schlaufen.
Mit einem Ruck strafften sich die Seile, und langsam wurde er, gegen das ihn blendende Licht anblinzelnd, in die Höhe gezogen. Einer der Warte zerrte ihn aus dem engen Loch, half ihm auf die Beine und hielt ihn fest, bis der zweite Türmer ihn unter der Achsel ergriffen hatte. Gemeinsam drängten sie ihn aus dem Gewölbe ins Freie, verbrachten ihn über den Burghof und stießen ihn die Stiege im Treppenturm hinauf. In der zweiten Etage angelangt, musste er zum Studio des Burgvogts gehen; einer der vor der Tür postierten Torhüter machte sie auf, und die beiden Kerkerknechte schoben Richard in den Raum.
Fassungslos sah er die Gattin, den Edlen von Beauchamps und Jerome de Trasignies, als Benediktiner verkleidet, sich mit Monsieur de Graindorge unterhalten. Jäh blieb er stehen, starrte die Gemahlin an und fragte sich, warum sie in der Veste sei. Vor allem begriff er nicht, warum der Seneschall von Trémont eine schwarze Kutte trug.
„Kommt näher, Sire“, forderte Regnault ihn kühl auf. „Wie Ihr seht, ist Eure Gemahlin hier, und zwar in einer Angelegenheit, die Euch gewiss nicht genehm sein wird.“
Unzählige Fragen gingen Richard durch den Sinn, während er langsam weiterging. Zu viel stürmte auf ihn ein, das er sich nicht erklären konnte – die Anwesenheit seines Weibes, ihre abweisende, kalte Miene, die feindselige Art, wie der Baron ihn anschaute, das sichtliche Unbehagen des als Schwarzmönch gewandeten Sieur de Trasignies, die rätselhafte Andeutung des Burgvogtes, der ihn abfällig musterte.
„Eure Gattin hat mich aufgesucht“, fuhr Regnault fort.
„Verzeiht, Sieur, dass ich Euch ins Wort falle“, unterbrach Mellisynt ihn rasch, „doch ich selbst möchte meinem Gemahl den Anlass nennen, warum ich hier bin.“
„Wie es Euch beliebt, Madame“, erwiderte Regnault gleichmütig.
Sie atmete tief durch, hielt die Augen auf den Gatten gerichtet und sagte so gelassen, wie sie es vermochte: „Ich muss Euch mitteilen, Sire, dass ich mich über den Bischof von Rennes mit der Bitte um Auflösung unserer Ehe an Seine Eminenz Jehan d’Anagni, den Legaten Seiner Heiligkeit, gewandt habe.“
Richard fühlte sich, als habe jemand ihm einen harten Schlag versetzt. Das war eine Begründung für die Anwesenheit der Gemahlin, die er wahrlich nicht in Betracht gezogen hatte.
Sie sah seinen entgeisterten Blick auf sich gerichtet und fuhr hastig fort: „In sieben Tagen, Sieur, haben wir uns vor dem Konzilium einzufinden, das dann über mein Ansinnen entscheiden wird. Ich habe Monsieur de Graindorge alle Dokumente vorgelegt, und er hat sich von ihrer Gültigkeit überzeugt.“ Fahrig wies sie auf die Schriftstücke, die auf dem Pult lagen.
„Es ist widersinnig, Madame“, sagte Richard erschüttert, „unsere Ehe für nichtig erklären lassen zu wollen. Vor der Trauung gab es keine Einwände. Ihr habt ein ehrbares Leben geführt, und nun ist unübersehbar, dass Ihr von mir gesegneten Leibes seid.“
„Ihr irrt Euch, Monsieur, wenn Ihr glaubt, dass kein Grund gegen unsere Ehe spricht“, wandte Mellisynt ein. „Bevor ich Euch zum Gemahl nehmen musste, hatte ich mich Gott unserem Herrn verschrieben. Dieses Gelöbnis hebt das Euch gegebene Eheversprechen auf.“
Im Nu war Richard bei ihr, riss sie an sich und herrschte sie an: „Zum Teufel mit Euren früheren Absichten! Jetzt seid Ihr meine Gemahlin, und was mein ist, bewahre ich mir!“
„Nehmt ihn fest!“, befahl Regnault barsch.
Sie legte schützend die Hände auf den stark gewölbten Bauch und versuchte, sich dem Gatten zu entziehen. Es gelang ihr nicht, und plötzlich verlor sie das Gleichgewicht. Sie wäre gestürzt, hätte der Sieur de Beauchamps sie nicht aufgefangen und gestützt.
„Lasst Madame los, Sire!“, sagte er in drohendem Ton.
Richard spürte die Hände der Wachen auf den Oberarmen, entriss sich ihnen mit
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