Historical Platin Band 04
brüsk und verließ die Kemenate.
Entgeistert, unfähig zu fassen, wie er sie soeben behandelt hatte, starrte Isabeau auf die ins Schloss fallende Tür.
Der Morgen blaute, als Roger das Mannschaftsquartier verließ und zu seinem neben dem Ross wartenden Knappen ging. Dort blieb er stehen, drehte sich um und schaute zu den Fenstern der Kemenate hinauf. Die halbe Nacht hindurch war er von der Gattin bedrängt worden, daheim zu bleiben, bis er sie schließlich barsch zurechtgewiesen hatte. Schmollend hatte sie sich zur Seite gedreht, und unwillkürlich war er von Bedauern darüber erfasst worden, dass er sie derart harsch behandeln musste.
Er hatte sich eingestanden, dass er daran schuld war, wenn sie sich weiterhin wie ein verzogenes Kind gebärdete. Aus allzu großer Lust nach ihr hatte er ihr jeden Wunsch von den Lippen abgelesen, sodass sie der Ansicht zu sein schien, es genüge, mit ihm zu poussieren, damit er ihr verfiel. Seufzend wandte er sich ab, hörte im gleichen Moment hastige Schritte auf der Galerie und drehte sich wieder um.
Isabeau raffte rasch die Röcke ihrer azurblauen Cotte, eilte die Stufen hinunter und rief ihm zu: „Wartet, Sieur! Ich habe Euch etwas zu sagen!“
Steif blieb er stehen, nicht geneigt, neuerlichem Flehen stattzugeben.
Bei ihm angekommen, äußerte sie atemlos: „Ich möchte Euch Adieu sagen und Euch eine sichere Reise wünschen. Zieht mit Gott, Sire, und kehrt unbeschadet heim. Ich werde Euch vermissen.“
Überrascht schaute er sie an. Seit er mit ihr vermählt war, hatte sie die mannigfachsten Listen angewandt, um etwas bei ihm zu erreichen. Nie jedoch hatte sie diesen demütigen, wahrhaftig klingenden Ton angeschlagen. „Ich danke Euch, Madame“, erwiderte er lächelnd, ergriff ihre Hand und küsste sie galant.
„Ich erbitte Eure Nachsicht für meine Hartnäckigkeit“, flüsterte sie. „Allein die Sorge um Euch und die Liebe, die ich für Euch im Herzen trage, haben mich dazu bewogen. Ich möchte Euch die Gemahlin sein, die zu haben Ihr erwartet, und verspreche, nie mehr aufsässig zu werden.“
Amüsiert betrachtete er sie und sagte schmunzelnd: „Verheißt mir nicht zu viel, Madame, und nichts, was Ihr nicht halten könnt. Ich bin überzeugt, Euer feuriges Wesen nie bändigen zu können. Es liegt Euch im Blut, Madame, und darob werde ich alles daransetzen, gesund zu Euch zurückzukehren.“
„Ich werde Eurer voller Bangen harren, Sieur“, versicherte sie und lächelte ihn glücklich an. „Möge der Allmächtige Seine schützende Hand über Euch halten, damit ich Euch so schnell wie möglich hier wieder willkommen heißen kann. Und möge Er auch den Sire d’Edgemoor und seine Gattin vor Schaden bewahren.“
Roger zog die Gemahlin kurz in die Arme, ließ sich alsdann von Monsieur du Thier den Helm reichen und setzte ihn auf. Dann stellte er sich auf den Aufstiegstein und schwang sich auf den Apfelschimmel. Er wartete, bis der Knappe auf dessen Rotfuchs saß, gab danach das Zeichen zum Aufbruch und schloss das Visier. Nach einem letzten Blick auf die Gattin, die mit vor der Brust zusammengelegten Händen zu ihm hinaufschaute, trat er dem Hengst in die Weichen und ritt vom Burghof.
Das Bild der Gemahlin ging ihm lange nicht aus dem Sinn. Erst nachdem er sich mit seiner Eskorte weit auf bretonischem Gebiet befand, verdrängte er die Erinnerung an sie und sah in Gedanken die mächtige, unbezwingbare Schanze der Veste Balfour vor sich.
Zu Tode erschöpft lag Richard auf dem fauligen Stroh. Plötzlich hörte er ein Geräusch. Er blickte nach oben, sah das Angstloch sich öffnen und dann einen Wächter, der sich an den Rand hockte und in das Verlies herunterblickte.
„Ah, Ihr zerrt nicht mehr an den Ketten, Sire?“, fragte Lambert spöttisch.
Müde schaute Richard ihn an und erwiderte verbissen: „Ich habe eingesehen, dass es meine Kräfte überfordert, mich auf diese Weise ertüchtigen zu wollen. Leider kann ich dir nichts mehr geben“, fügte er hinzu und richtete sich langsam auf, „damit du bei Monsieur de Graindorge nochmals für mich um die Gunst ersuchst, mich ans Tageslicht zu lassen.“
„Gott bewahre mich!“, sagte Lambert grinsend. „Zum einen habt Ihr wirklich nichts mehr, das mir von Nutzen sein könnte, und zum anderen möchte ich den Kopf auf dem Hals behalten. Es hat mir gereicht, dass Ihr bei dem einen Mal, als ich Euch heraufseilen durfte, mich sofort angegriffen habt.“
Trotz seiner misslichen Lage schmunzelte Richard. Wären die
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