Historical Platin Band 04
Henry ruhig.
„Monsieur le Duc ist anderer Meinung und behauptete, den Beweis für mein Vergehen in Händen zu halten.“
„Wäret Ihr denn zum Vertrauensbruch bereit gewesen, Sieur?“, erkundigte Henry sich bedächtig. „Hättet Ihr mir gegen mich gerichtete Intrigen anvertraut?“
„Nein, Sire“, antwortete Richard fest und sah Befremden auf den Mienen des Herrschers und der Höflinge. „Ich habe mich zwar eindringlich bemüht, Euren Sohn von seinem Vorhaben abzubringen, hätte ihn indes nie hintergangen, da ich ihm zur damaligen Zeit noch die Lehnstreue schuldig war.“
„Um Vergebung, Sire“, wandte Ranulf sich an den Monarchen. „Mich beeindruckt ein Chevalier, der so lange, wie er keinen ehrbaren Grund hat, den Vasalleneid zu brechen, fest zu seinem Gelöbnis steht. Wenn Ihr gestattet, erkläre ich mich zum Schirmvogt des Sieur d’Edgemoor und statte ihn mit einem Lehen aus.“
„Das ist ein wohlgemeinter Vorschlag“, erwiderte Henry, „der indes nicht meine Billigung findet. Noch haben meine aufsässigen Söhne sich mir unterzuordnen. Das gilt nicht nur für Mylord Richard, der sich ständig gegen mich auflehnt, sondern ebenso für Mylord John und Geoffroir. Darob meine ich, dass es mir gelingen wird, Sire“, wandte er sich an den Sieur d’Edgemoor, „den Zwist zwischen Mylord Geoffroir und Euch zu beheben. Er ist auf verlässliche Lehnsmannen angewiesen und bedarf auch hinfort Eures guten Rates. Daher entscheide ich nunmehr, dass Eure Pfründe in der Bretagne Euch nicht genommen wird. Zudem gedenke ich, Euch zu weiteren Ehren zu erheben.“
Fassungslos sah Richard den König an. Henry Plantagenet war gewiss ein kluger, wackerer und durchtriebener Herrscher, hatte jedoch die Schwäche, sich nicht gewahr zu werden, dass er es seinen Söhnen gegenüber an Durchsetzungsvermögen missen ließ. Prinz Geoffroir würde sich ihm bestimmt nicht unterordnen, und das traf auch auf dessen machtbesessene Brüder zu. Es war Richard unergründlich, warum der Souverain diesen fatalen Wesenszug nicht erkannte, aber jeder Mensch hatte einen wunden Punkt. Er selbst war sich bewusst, dass er eine Schwäche für die Gemahlin hatte und sich in seinem Handeln davon bestimmen ließ.
Aber er war nicht mehr willens, jemandem zu dienen, der ihn zu Unrecht des Treuebruches geziehen hatte. „Ich bitte um Pardon, Sire“, erwiderte er ernst, „doch ich sehe mich außerstande, den Prinzen Geoffroir weiterhin als meinen Lehnsherrn anzuerkennen.“
„Zwingen kann ich Euch nicht“, entgegnete Henry gleichmütig. „Seid Ihr bereit, Mylord of Chester die Gefolgschaft zu geloben?“
„Ja“, antwortete Richard schlicht.
„Gut, dann bin ich einverstanden“, stimmte Henry zu. „Mich dünkt, auf einen so anständig denkenden Chevalier, wie Ihr das seid, Sieur Richard, sollten weder ich noch Mylord of Chester verzichten.“
„Ich danke Euch, mein König“, sagte Richard und verneigte sich. Da der Monarch sich nach kurzem Nicken abwandte und mit dem Earl of Chester zu sprechen begann, beugte Richard das Knie und verließ das Studierzimmer.
Mittlerweile hatte das Vorzimmer sich mit Chevaliers und Damen gefüllt, die dem Herrscher offenbar ebenfalls ein Anliegen vorzutragen hatten. Richard zwängte sich durch die Anwesenden, wurde herzlich von Bekannten begrüßt und tauschte freundliche Worte mit ihnen.
Es dauerte eine Weile, bis er den Ausgang erreicht hatte und den Palast verlassen konnte. Auf dem Innenhof befahl er, sein Ross zu bringen, schwang sich, nachdem es ihm zugeführt worden war, in den Sattel und ritt zur Herberge. Endlich hatte er das Gefühl, eine große Last sei ihm von der Seele genommen, denn nun war er nicht mehr der Lehnsmann des Herzogs der Bretagne. Es drängte ihn, die frohe Kunde der Gattin mitzuteilen.
Auf dem Hof der Wirtschaft angekommen, saß er behend ab, lief ins Haus und hastete die Treppe zu der Kammer hinauf, in der sich die Gemahlin mit dem Töchterchen und der Amme befand. Stürmisch riss er die Tür auf und rief: „Mellisynt!“
Verblüfft starrte er in die verlassene Kammer, sah die auf dem Kasten liegenden Pergamente und wusste, dass sie die Schriftstücke zur Auflösung seiner Ehe enthielten. Jäh wurde ihm klar, dass die Gemahlin ihren Vorsatz wahr gemacht hatte.
Hastig betrat er die Kammer, nahm die Dokumente an sich und rannte in den Schankraum, wo sein Knappe mit den Söldnern und anderen Zechern beim Umtrunk saß. „Wir brechen sofort auf“, herrschte er die
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