Historical Platin Band 04
gegen dich.“
„Danke, Micheil“, erwiderte Ingram und nickte knapp, ohne jedes Gefühl der Genugtuung. „Bridget hatte durch die Hand eines MacKendrick zu leiden.“
„Du musst mich nicht daran erinnern, Vater. Sie wird ihr Leben lang gezeichnet sein.“
„Das genügt, Micheil. Hör mich an! Ich will, dass du mir jetzt gelobst, Seana, sobald sie erwachsen ist, das gleiche Leid anzutun. Ich verlange, dass du sie gefangen nimmst.“
„Sie ist noch ein Kind!“, warf David ein und näherte sich dem Vater. Auf James’ befehlende Geste hin blieb er jedoch jäh stehen und fuhr fort: „Hast du vor, eine kleine Maid für die Vergehen ihres Bruders zu züchtigen?“ Nach diesem Ausbruch sah er die wütenden Blicke seiner Angehörigen auf sich gerichtet. Wider Willen spürte er sich vor Scham erröten und senkte den Kopf.
„Nein, vorläufig soll Seana unbeschadet bleiben“, antwortete Ingram aus Liebe zum jüngsten Sohn in weichem Ton. „Wir bringen sie in unsere Gewalt und schaffen sie zu eurer Muhme Ailis. Das Stift befindet sich auf uns gehörenden Ländereien, die gut bewacht werden. Niemand wird den Versuch wagen, Seana aus dem Konvent zu entführen. Wenn sie jedoch zum Weib gereift ist“, setzte er harsch hinzu und schaute scharf Micheil an, „wird es kaum noch einen MacKendrick geben, der dir in den Arm fallen könnte. Liam soll indes verschont werden. Das soll sich ein jeder von euch gut merken. Schützt sein Leben wie das eure. Ihm soll kein Haar gekrümmt werden. Darauf wirst du achten, Micheil!“
„Vater …“
„Sei still! Ich will, dass er ständig in dem Bewusstsein lebt, eines Tages mit ansehen zu müssen, wie seine Schwester vor seinen Augen geschunden und erniedrigt wird.“ Eine Weile hielt Ingram mit großer Willenskraft den Blicken der Söhne stand, zog dann den Dolch aus der Scheide und befahl: „Eure Hände!“ Rasch ritzte er den Söhnen und sich den Schwurfinger und gebot: „Und nun gelobt angesichts des auf den Boden tropfenden Blutes eure Bereitschaft, meine Order auszuführen.“
Und so geschah es, dass nach zehn Nächten die vom Vater befohlene Entführung durchgeführt wurde. Seana MacKendrick wurde bei der Rückkehr aus Wick, wo sie in den zehnten Sommer ihres Lebens getreten war, den Armen der Mutter entrissen, ihre Begleiter auf der Stelle niedergemetzelt oder tödlich getroffen. Ihr schwer verwundeter Vater vernahm, ehe auch er entseelt zu Boden sank, durch das Wehklagen der Gattin das Los, das seine Tochter erwartete.
3. KAPITEL
Deer Convent, im Jahre des Herrn 1382
Seana erfreute sich am Lenz, rupfte Glockenheide aus und warf sie fröhlich hoch in die Luft. Sie pflückte eine wilde Primel, die sie zwischen den schützenden Blättern erspähte, hielt die Blume an die Nase und fühlte sich durch den Geruch an die Mutter erinnert, die immer frische Blüten zwischen das Linnen gestreut hatte, ehe sie es in den Truhen unterbrachte. Stirnrunzelnd ließ sie die Blätter fallen. Solche Erinnerungen musste sie verdrängen, da sie ihr stets Herzweh verursachten.
Es genügte ihr, den Mauern des Stiftes entronnen zu sein. Wieder einmal dachte sie, wie so oft in der Vergangenheit, daran, sich irgendwohin zu flüchten, doch ein Blick über die Schulter zeigte ihr, dass sie vom Kloster her beobachtet wurde. Sie wusste, sie würde nicht weit kommen, falls Alarm geschlagen wurde.
Anmutig lief sie durch das hohe Farnkraut, tollte herum und ließ sich bald lachend ins Gras fallen. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, die Füße sittsam überkreuzt, träumte sie vom nächsten Tag. Die Mutter Oberin hatte ihr den Besuch der Kirmes versprochen. Ein Wermutstropfen war, dass sie diese Erlaubnis dem Eintreffen der Nichten der Ehrwürdigen Mutter zu verdanken hatte. Mistress Fiona MacGlendon und ihre Schwester Jehanne würden sie wieder wie eine Dienerin behandeln. Sie würde hinter ihnen hergehen und alles tragen müssen, was sie gekauft hatten.
Indes wäre sie sogar dem Gottseibeiuns gefolgt, hätte sie dadurch die Möglichkeit zum Besuch des Jahrmarktes erhalten, wo sie vielleicht einen Honigwecken geschenkt bekam. Bei der Vorstellung, wie gut er schmecken würde, leckte sie sich über die Lippen und wandte die Augen vom Turm des Stiftes ab, in dem sie seit zehn Sommern gefangen war.
Die Gedanken ließen sich indes nicht so leicht ablenken. Ungeachtet dessen, was die frommen Frauen sie gelehrt hatten, konnte sie den Hass auf Micheil MacGlendon,
Weitere Kostenlose Bücher