Historical Platin Band 04
Moment lang war sie nicht sicher, ob sie ihn noch einmal lächeln sehen wollte. Die Geräusche und Gerüche der Kirmes traten in den Hintergrund, und Seana fühlte sich schwindlig von der Stärke des Sehnens, das sie erfasst hatte. Natürlich wartete der Fremde darauf, dass sie ihm eine Begründung für ihre Weigerung gab, sie vermochte jedoch nicht, die passenden Worte zu finden. Er roch nach Leder und den Ausdünstungen von Pferden, eine Mischung, die ihr zugleich vertraut und fremd war. So hatte der Bruder gerochen. Indes hatte sich der Mond unzählige Male gerundet, seit Liam sie zum letzten Mal an sich gedrückt hatte.
Der Unbekannte hatte breite Schultern, und sie empfand das seltsame Gefühl, sie könne ihnen ihre Seelenlast aufbürden. Wider Willen hob sie die Hand, legte sie ihm auf die Brust und spürte das Schlagen seines Herzens. Sogleich zog sie die Hand fort, als habe sie sich verbrannt.
„Gibt es so viele Männer, die sich mit dir einlassen wollen?“, fragte er spöttisch. „Bist du deswegen derart wählerisch? Ich gab dir doch zu verstehen, dass ich nicht feilschen werde. Nenne deinen Preis! Ich werde sehr großzügig sein. Du strahlst etwas aus, das mein Begehren weckt.“ Nicht mehr imstande, sich zurückzuhalten, drückte er sich an das Mädchen.
„Lasst das! Ich bin noch unberührt.“
Micheil fand es erstaunlich, dass er ihre Behauptung hinnahm. Sie bezauberte ihn. Das musste der Grund dafür sein, dass er nicht an ihren Worten zweifelte. Nie zuvor hatte er sich von jemandem etwas weismachen lassen. „Sind die Männer dieser Gegend blind?“, äußerte er belustigt. „Sag mir die Wahrheit. Eine Schönheit wie du kann nicht lange jungfräulich bleiben. Hältst du mich für einen Narren, dass ich dir das glauben soll? Ich lasse mich nicht zum Trottel machen.“
„Ich habe Euch nicht belogen. Ich habe noch nie einem Manne beigelegen. Mir ist nicht erlaubt …“
Micheil schaute ihr in die weit geöffneten Augen und sah, dass sie die Wahrheit sprach. „Dann habe ich großes Glück“, murmelte er und spürte bei dem Gedanken, ihr beizuwohnen und sie zu behalten, die Lust sich steigern.
„Es macht mir Angst, wie Ihr mich anseht“, sagte sie und erschauerte angesichts seines sich verschleiernden Blicks.
„Du sollst dich nicht vor mir fürchten“, erwiderte er rau und senkte, gleichgültig der Umgebung gegenüber, den Kopf.
Seana presste sich an die Bretterwand, konnte sich ihm indes nicht entziehen. Er raubte ihr einen Kuss, und verstört starrte sie ihn an. Er presste sie an sich, hatte die Lider geschlossen und ließ die Hände über ihre Hüften gleiten. Jäh biss sie ihm in die Unterlippe und stemmte sich gegen ihn, um ihn fortzustoßen.
Er hob den Kopf, ließ sie jedoch nicht los. Dann verengte er die Augen und leckte sich über die schmerzende Unterlippe.
„Ihr habt nicht das Recht, mich zu belästigen!“, entrüstete sich Seana. „Ihr hättet mich nicht küssen dürfen! Lasst mich los! Ich kenne Euch nicht. Ich will nichts mit Euch zu tun haben. Gebt mich endlich frei! Bestimmt vermisst man mich bereits und sucht mich.“
Micheil war nicht gewohnt, dass ein Weib ihm verwehrte, wonach ihn gelüstete. Er wollte dieses besitzen und hatte nicht die Absicht, sie ziehen zu lassen. Es war ihm aufgefallen, dass sie einen Herzschlag lang seinen Kuss erwidert hatte, ehe sie ihn biss. Falls ihre Behauptung, noch rein zu sein, zutraf, war ihre Reaktion nicht verwunderlich. Er schlang ihr den Arm um die Taille und ergriff sein Säckel, weil er glaubte, der Anblick einer Goldmünze würde sie gefügig machen. Zornig funkelte sie ihn an, und unwillkürlich wirkte sie auf ihn wie eine hochmütige Frau von Stand. Der Grimm auf Fiona und die Besessenheit, mit dieser Maid zusammen zu sein, mussten ihm das Urteilsvermögen getrübt haben.
Im Allgemeinen zog er es vor, mit Schmeicheleien um eine Maid zu werben, statt ihr Not anzutun. Aber er wollte die Reize dieser Jungfrau auskosten. Er war von ihr betört, denn nie zuvor hatte ein Weib ihn derart erregt. „Wer sollte dich vermissen?“, fragte er leichthin. „Oder willst du mir das ebenfalls nicht sagen?“
„Das ist nicht von Bedeutung“, antwortete sie ausweichend.
Er umfasste ihr Kinn und drückte es höher. „Ich weiß, du wirst mir nicht glauben, doch ich kann dich nicht ziehen lassen“, erwiderte er.
Sie zwang sich, den Blick abzuwenden, und fragte sich, weshalb sie nicht um Hilfe rief. Gewiss würde jemand auf sie
Weitere Kostenlose Bücher