Historical Platin Band 04
Das Ross musste nicht mit fester Hand gelenkt werden. „Setz dich aufrecht hin, Seana!“, fuhr Micheil fort. „Ich muss beim Fechten Bewegungsfreiheit haben.“
Hastig klammerte Seana sich an die Zügel, und im gleichen Moment stürmten mehrere Männer aus dem Unterholz.
Micheil trat dem Zelter in die Weichen und schwang das Schwert, um die Angreifer abzuwehren. Er trat zu und merkte, dass er einen von ihnen an der Brust getroffen hatte. Mit einem Streich tötete er einen anderen Raufbold, der versuchte, Seana vom Pferd zu reißen.
Sie drehte sich um und zog seinen Dolch aus der Scheide. Der Ärmel ihres Kleides zerriss an der Schulter, weil jemand nach ihr gegriffen hatte. Blindlings stieß sie zu und vernahm einen Schrei. Sie bemerkte weitere Gestalten, die aus dem Forst herbeirannten. Vor Furcht zitternd, achtete sie nicht auf die wüsten Flüche der Schnapphalme. Sie beugte sich weit über den Nacken des Hengstes, um die schleifenden Zügel an sich zu nehmen. Einer der Galgenstricke hielt die Stränge fest. James kämpfte gegen zwei Wegelagerer. Seana zerrte an den Zügeln. Sie durchtrennte sie, da sie nicht wusste, wie sie sich anders helfen könne. Der Schimmel stieg auf die Hinterläufe und schlug mit den Vorderbeinen aus. Nachdem James einen schrillen Pfiff ausgestoßen hatte, preschte das Tier davon. Seana klammerte sich in die Mähne, um nicht zu Boden zu stürzen.
Micheil unternahm nichts, um den wilden Galopp des Rosses zu drosseln. Sein Handrücken war verletzt und brannte. Er presste die Schenkel an den Leib des Pferdes und spürte Blut am Bein entlangrinnen. Im Oberschenkel hatte er einen tiefen Schmiss. Er wagte indes nicht, jetzt Rast einzulegen, obwohl bei dem Schritt des Hengstes ein Blutschwall aus der Wunde quoll. „Da vorn ist eine Biegung, Seana!“, rief er ihr zu. „Lenk den Zelter über das freie Gelände und auf gleiche Höhe mit dem Tann.“
Verstört fragte sie sich, wie sie ohne beide Zügel den dahinjagenden Hengst beherrschen solle. Erschrocken schaute sie James an und sah ihn im Sattel schwanken. Bestimmt war er schwer verletzt. Eindringlich redete sie auf den Apfelschimmel ein und zog ihn an der Mähne. Ein Weilchen reagierte er nicht, doch dann wurde er langsamer.
„So, und nun lenk ihn in die Wegkrümmung“, befahl Micheil.
Es gelang ihr, das Halfter zu erreichen und dem Hengst die richtige Richtung zu geben. Der Boden des offenen Geländes war weich, sodass Ross und Reiter tief einsanken. Schließlich verfiel es in den Passgang.
Der Himmel wurde heller, sodass Micheil den nutzlos herunterbaumelnden Zügel erkennen konnte. Er vergaß seine Verletzungen, als Seana sich aufrichtete und er die blutigen Risse an ihrem Arm entdeckte. „Am liebsten hätte ich die ganze Bande gemeuchelt!“, sagte er zornig.
„Du hast mehrere Leute umgebracht. Das sollte dir genügen.“
„Wäre es dir angenehmer gewesen, wenn das Gesindel uns überwältigt hätte?“
„Ich wollte damit nur sagen …“
„Du bist ebenso zimperlich wie die meisten Weiber!“
Plötzlich fiel ihr auf, dass sie James’ Dolch verloren hatte. Fremdes Blut klebte ihr an der Hand. Sie verabscheute sich. Er hatte recht. Sie war ein Weib, und Gewalt widerstrebte ihr. Aber sie hatte den Hirschfänger gegen einen der Strauchdiebe eingesetzt. Sie entsann sich des grellen Schreis. Dennoch äußerte sie nichts zu ihrer Verteidigung. Der Tann kam in Sicht. „Ich soll am Vorholz entlangreiten, nicht wahr?“, erkundigte sie sich.
„Ja!“, bestätigte Micheil. „Auf der anderen Seite ist ein Bach.“ Der Apfelschimmel ging im Schritt, und Micheil schwang sich aus dem Sattel. Fast hätte das wunde Bein unter ihm nachgegeben. Er biss die Zähne zusammen, um nicht vor Schmerz aufzuschreien. Er humpelte vorwärts, ergriff den Zelter am Halfter und führte ihn weiter.
Seana schaute ihn an. Die ersten Strahlen der Sonne fielen auf die blutige Klinge seines Schwertes. Unwillkürlich hob sich ihr der Magen. Kaum hatte sie das Flüsschen gesehen, ließ sie sich zu Boden gleiten und rannte zum Ufer. Gierig schöpfte sie Wasser und trank, bespritzte sich dann Gesicht und Hals, tauchte schließlich die Arme in den Bach und wusch die Kratzer aus. Sie setzte sich auf die Hacken, blickte aufs Wildwasser und sah, wie zerzaust ihr Haar war. Sie kam sich wie ein verlottertes Holzweib vor. Hastig verdrängte sie die eitlen Gedanken, drehte sich um und wunderte sich, warum James nicht zu ihr gekommen war. Er saß unter einem
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