Historical Platin Band 04
Köstlichkeiten, und sogleich lief Seana das Wasser im Mund zusammen. Erstaunt schaute sie dann James an. Er hatte sich gereinigt, den Bart abgenommen, ein frisches Hemd, eine dunkelbraune Jaquette mit wattierten Schultern und saubere Beinlinge angezogen. Verblüfft setzte sie sich auf den Schemel und ließ den Blick über die Fülle der Speisen schweifen. Sie hob den Kopf und sah James an, der sie gespannt anschaute. „Woher hast du das alles?“, fragte sie verdutzt. „Sag mir die Wahrheit. Kannst du zaubern, oder hast du mit dem Gottseibeiuns einen Pakt geschlossen?“
Micheil warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. „Nein, ich bin nur ein Mensch aus Fleisch und Blut. Traust du deinen Augen nicht?“
„Du musst über sehr gute Verbindungen verfügen, wenn du in der Kürze der Zeit so viele Leckereien herbeischaffen konntest. Bist du mit den MacGlendons im Bunde?“
„Musst du mir so viele Fragen stellen?“, äußerte er unwirsch.
Seana senkte den Kopf. Sie hatte James gekränkt. Mit zitternden Händen rieb sie sich die Schläfen. Einstweilen durfte sie ihn nicht weiter aushorchen. Sie hob den Kopf, und ihr Blick fiel auf den Hirschfänger, den James in der Hand hielt. Sie musste sich zwingen, ihm in die Augen zu sehen. „Wie ich sehe, hast du deinen Sticher wieder“, sagte sie leichthin.
„Ich behalte, was mir lieb und teuer ist.“
„Du hast wie ein echter Hochländer gesprochen. Schneidest du jetzt das Fleisch? Ich bin sehr hungrig.“
Micheil legte ihr vor, setzte sich dann an der anderen Seite des Tisches auf den zweiten Schemel und begann zu essen. Ihr Verhalten wirkte eigenartig unterkühlt, und unvermittelt kam ihm der Gedanke, es sei ein Fehler gewesen, sie so lange allein zu lassen. Wenngleich sie zugegeben hatte, sehr hungrig zu sein, aß sie offenkundig mit wenig Appetit. „Schmeckt das Essen dir nicht?“, fragte er verwundert.
„Ich hatte zu lange einen leeren Magen und möchte nicht, dass mir plötzlich übel wird.“
„Warum benimmst du dich so distanziert? Das gefällt mir nicht.“
Sie bemerkte, dass seine verletzte Hand verbunden war. Er hatte sich gewaschen, umgekleidet und die Wunden versorgt. Nun verlangte er mit der Überheblichkeit eines vornehmen Herrn, dass Seana sich umgänglich gab. Erneut fragte sie sich, wer er sein mochte, und senkte halb die Lider, damit er nicht merkte, was in ihr vorging. Rasch trank sie einen Schluck Wein und verspeiste einen süßen Wecken. Mehr und mehr fühlte sie sich wohler, vermutlich deshalb, weil sie sich stärken konnte und in dem Koben in Sicherheit war. Der Appetit kam mit dem Essen, sodass sie kräftiger zulangte. Sie dachte über James’ Kleidung und sein Gebaren nach und fühlte sich durch sein Äußeres an die Notablen der Grenzmark erinnert, die freizügig mit den englischen Standesherren Handel trieben.
Angelegentlich schaute sie sich beim Essen im Raum um und sah sogleich, dass James sie belogen hatte. Gewiss, die Kate war verlassen gewesen, doch die Bewohner konnten erst vor Kurzem verschwunden sein. Nirgendwo war ein Zeichen von Verwahrlosung zu bemerken. Das Lager war mit einem Übertuch aus Fell bedeckt. Auf den Schafreiten standen irdene, in braunen, grünlichen und rötlichen Tönen glasierte Tüllengefäße, Näpfe und Kruken, dazu Salzfässer, eine Waagschale, Milchseiher, ein Weinheber mit Füllstutzen, Trichter und Salatsiebe. Auf dem Sims der Gluthaube befanden sich Tiegel, Pfannen und mehrere Haven aus Kupfer. Am Hengelbaum über dem Feuer hing ein gusseiserner Kessel. In der runden Aussparung des Sockels unter dem Ofenloch lagen säuberlich aufgeschichtet Scheite. Ein Stendel ruhte auf einem hölzernen Kufen, und an der Wand dahinter waren mehrere aus Ruten geflochtene Schwingen, Hurden und Zeinen befestigt. In diesem ordentlichen Zustand hatte nur ein Weib den Raum zurücklassen können.
Seana richtete die Augen wieder auf James, faltete die Hände auf dem Tisch und sagte befremdet: „Du hast es uns hier gemütlich gemacht. Ich wüsste gern, wie du das wagen konntest, wenn wir uns, wie du behauptet hast, auf dem Besitz der MacGlendons befinden, du hingegen angeblich nicht zu ihrer Sippe zählst.“
„Lass die Angelegenheit auf sich bewenden, Seana“, erwiderte Micheil verstimmt. „Ich habe dir gesagt, dass ich nichts von ihnen zu befürchten habe, jedenfalls so lange nicht, wie du bei mir bist. Du musst Vertrauen zu mir haben.“
„Vertrauen?“, wiederholte sie spöttisch. „Du verlangst
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