Historical Platin Band 04
hast mir ja keine Gelegenheit gelassen, meine eigenen Sachen zu packen, bevor du mich fortschlepptest.“
Aus dem Augenwinkel bemerkte sie Olvas erstaunten Blick, doch darum kümmerte sie sich im Moment nicht; sie blickte nur den Mann an, der vor ihr stand. Es war schließlich seine Schuld, dass sie sich wie eine ausgestellte Ware auf einem Marktstand vorkam.
Und das war es nicht allein. Falls die Frauen der Wikinger so waren wie die Sachsenfrauen – und nach den Erfahrungen dieses Nachmittags schienen sich die Frauen auf der ganzen Welt nicht allzu sehr voneinander zu unterscheiden –, dann würde sich die Kunde von Einars Geschenk wie ein Lauffeuer durch die ganze Siedlung verbreiten. Wieder einmal würde Meradyce Anlass zu Gerüchten und Spekulationen geben. Ihr würde nichts erspart bleiben.
Einars Lippen zuckten. „Deshalb versuche ich ja jetzt auch, Wiedergutmachung zu leisten.“ Damit machte er auf dem Absatz kehrt und verließ das Haus.
Olva nahm ihre Arbeit am Webstuhl wieder auf, Reinhild starrte Meradyce an, als wäre diese nicht ganz bei Trost, und Endredi war ganz offensichtlich bestürzt. Die kleine Betha lächelte.
Adelar wurde ungeduldig. „Meradyce! Ich war sogar besser als er! Meradyce!“
„Ja, Adelar, ich hab’s gehört. Wie schön für dich.“
Sie schaute den Bogen an, doch Adelar wusste, dass sie sich gar nicht dafür interessierte, jedenfalls nicht wirklich. Sie dachte nur an ihn, den Wikinger.
Der hatte das gar nicht verdient. Sie war schließlich eine Sächsin, auch wenn sie nicht aus einer bedeutenden Familie stammte. Sie war eine schöne, gütige, wundervolle Sächsin!
Und sie war die große Liebe in Adelars jungem Leben.
5. KAPITEL
Nach dem Nachtmahl saßen Einar, Svend und Hamar mit ihren Trinkhörnern in der Hand im Langhaus des Häuptlings beieinander.
„Hundert Silberstücke sind nicht genug“, erklärte Svend leise und trank einen Schluck seines Starkbiers.
„Sämtliche Wertgegenstände in dieser Siedlung haben wir mit uns genommen, Vater“, entgegnete Hamar mit ebenso gedämpfter Stimme. „Das Dorf wird schon die hundert Silberstücke kaum zusammenbekommen.“
„Der Mann hat fünfhundert dafür bezahlt, um seine Frau umbringen zu lassen. Für seine Kinder oder wenigstens für seinen Sohn wird er doch mindestens genauso viel übrig haben.“
„Vielleicht können wir zweihundert für den Jungen und fünfzig für das Mädchen verlangen“, schlug Hamar vor.
„Der Than muss doch reiche Verwandte haben“, meinte Svend.
„Lasst uns fünfhundert für den Jungen und hundert für das Mädchen fordern.“
„Und ich sage, das ist zu viel. Es ist besser, wir erhalten ein geringes Lösegeld als gar keines. Falls wir eine zu hohe Forderung stellen, verzichtet der Sachse womöglich auf seine Kinder. Seine Frau hat er ja schließlich auch umbringen lassen wollen.“
Zum ersten Mal meldete sich jetzt Einar zu Wort. „Er wird den Jungen auf keinen Fall umbringen lassen wollen. Einen besseren Sohn als diesen Knaben kann sich doch kein Vater wünschen.“
Hamar warf seinem Bruder einen erstaunten Blick zu und schaute dann rasch wieder fort.
Svend griff nach seinem Trinkhorn und betrachtete seinen großen blonden Sprössling. Einar war ein Sohn, auf den jeder Vater stolz sein konnte, und das traf auch auf Hamar zu. Einar war kühn und klug und Hamar vorsichtig und weise. Zusammen würden sie ein feines Herrscherpaar sein, das sein Land führen konnte, wenn er selbst den Weg nach Walhalla antrat.
„Wie viel Lösegeld sollten wir dann deiner Meinung nach fordern?“
„Eintausend Silberstücke.“
Hamar sog scharf den Atem ein. Svend lehnte sich in seinem Sessel zurück und blickte seinen Sohn an. „Und falls der Sachse nicht zahlen kann, dann bringen wir den Jungen um, ja?“
„Nein.“
Svend zog die Augenbrauen hoch, als wäre er verblüfft, doch in Wirklichkeit freute er sich. Seit viel zu vielen Jahren schon hatte er gefürchtet, Einar läge nichts an Söhnen. Nachdem seine Gattin bei der Geburt einer Tochter gestorben war, hatte jedermann angenommen, er würde sehr bald wieder heiraten. Es war ein offenes Geheimnis, dass jedes Mädchen in der Siedlung nur zu gern Nissas Platz eingenommen hätte, und jedes von ihnen wäre eine bessere und treuere Ehefrau gewesen.
Nissa war sehr schön gewesen mit ihrem langen Haar, das wie gesponnenes Gold glänzte. Als Einar sie heiratete, hatte jeder Krieger ihn beneidet – bis
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