Historical Platin Band 04
Nissa keinen Zweifel mehr daran ließ, dass sie in Einars Abwesenheit nicht gern allein schlief. So gesehen, war es nur gut, dass sie im Kindbett gestorben war; ein so stolzer Mann wie Einar würde sie sonst für ihre Untreue getötet haben.
Es war wirklich bedauerlich, dass Endredis Augen denen ihrer Mutter so genau glichen.
Doch nun bewunderte Einar auf einmal den Sohn eines Feindes.
Und nicht nur das; Svend war davon überzeugt, dass sein gut aussehender Sohn von dem Verlangen nach der schönen Sachsenfrau fast bis an den Rand des Wahnsinns getrieben wurde. Nichts sonst hätte Einar dazu veranlasst, einen Befehl zu missachten. Svend verstand dieses Gefühl nur allzu gut.
Genauer gesagt, er wäre sehr enttäuscht gewesen, wenn sein Sohn es fertiggebracht hätte, eine so schöne Frau zu ignorieren. Die Sächsin war klug, und sie würde ganz bestimmt prächtige Kinder zur Welt bringen. Sie wäre eine perfekte Gemahlin für Einar.
„Und was ist mit der Schwester des Jungen?“
„Fordere fünfzig.“
„Und wenn der Sachse nicht einmal diesen Betrag zahlen will, dann können wir sie ja an die Händler aus dem Süden verkaufen. Sie ist ein hübsches Kind.“
„Olva mag sie.“
Diesmal war Svend wirklich überrascht. Einar schien kaum zu merken, ob seine eigene Tochter noch lebte oder nicht, doch jetzt sorgte er sich um das fremde Mädchen, obwohl er natürlich so redete, als wollte er die Kleine nur Olvas wegen vor einer bösen Zukunft bewahren.
„Nun gut“, entschied Svend. „Wir verlangen tausend Silberstücke für den Jungen, fünfzig für das Mädchen. Wir teilen dem Sachsen mit, dass wir beide Kinder in die Sklaverei verkaufen, falls er nicht zahlt. Und was wird aus der Frau?“ Svend stellte diese Frage ganz beiläufig, doch dabei beobachtete er Einar sehr genau.
„Sie will im Frühjahr heimsegeln“, antwortete dieser. „Sie meint, bis dahin wird sie genug verdient haben, um die Überfahrt bezahlen zu können. Wir können sie also zusammen mit den Kindern zurückbringen, vorausgesetzt, der Sachse zahlt.“
„Hm.“ Svend trank noch einen Schluck. „Dann sollten wir dafür sorgen, dass sie vorher noch jemandem das beibringt, was sie über Geburtshilfe weiß. Endredi wäre dafür geeignet.“
„Endredi ist zu jung.“
„Endredi ist fast schon eine Frau“, widersprach Hamar.
„Wenn du etwas dagegen hast, dann sei’s drum“, sagte Svend gelassen. „Planst du möglicherweise eine Ehe für deine Tochter?“
Der Häuptling hatte große Mühe, sein Lächeln zu unterdrücken, als er Einars Gesichtsausdruck sah. Zweifellos redete sich sein Sohn ein, die Zeit stehe still. Es wäre empfehlenswert, ihn daran zu erinnern, dass er weder jünger wurde noch unsterblich wie die Götter war. „Vielleicht mit Ull?“, fragte Svend.
Einar sprang auf. „Was?“
„Setz dich wieder, mein Sohn.“ Svend lachte leise. „War ja nur so eine Idee, und wie ich sehe, keine gute.“
Einar warf seinem Vater einen wütenden Blick zu. „Von mir aus soll die Sachsenfrau Endredi unterweisen.“
„Sehr gut.“ Svend setzte sein Trinkhorn wieder an die Lippen, damit er nicht etwa laut lachte.
„Wer wird dem Sachsen die Lösegeldforderung überbringen?“, erkundigte sich Hamar nach einer Weile.
„Da Einar der sächsischen Sprache mächtig ist, wird er nach Haithabu segeln. Für eine so kurze Seereise ist vor Wintereinbruch noch Zeit. Er soll den Mann aufsuchen, der uns seinerzeit die Botschaft der Sachsen übermittelt hat. Einar wird wissen, wo er ihn findet.“
Einar nickte.
„Und wenn sie uns nun nur das Lösegeld für eines der Kinder anbieten?“, fragte Hamar.
„Entweder beide werden ausgelöst oder keines von ihnen“, erklärte Einar sofort. „Der Junge würde seine Schwester niemals hier zurücklassen.“
„Wie kannst du dir da so sicher sein?“, erkundigte sich sein Vater.
„Weil ich so denken würde, wenn ich der Junge wäre.“ Einar griff zu seinem Trinkhorn und vermied es, Hamar und Svend in die Augen zu blicken. Er wusste, dass die beiden sich sehr verwunderten über sein Interesse an den sächsischen Kindern. Er selbst verblüffte sich ja genauso.
Es stimmte, dass der Knabe ein so prächtiger Sohn war, wie ein Vater ihn sich nur wünschen konnte. Die Tapferkeit des Burschen hatte Einar schon in der Sachsensiedlung bewundert. Adelars Bemühungen, sich seine Seekrankheit nicht anmerken zu lassen, hatte er auf der Überfahrt ebenfalls nicht übersehen. Von den Versuchen des jungen
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