Historical Platin Band 04
etwas Passendes, und zieh es an. Du kannst dich als Knappe ausgeben. Verbirg dich unten im Gewölbe vor dem Fahnensaal und warte, bis ich die Meierin zu mir in die Halle bestelle. Dann eilst du in den Stall. Sollte man dich erkennen“, fügte David warnend hinzu, „kann ich nichts für dich tun.“
David verließ die Kammer, begab sich in das Frauengemach und verabschiedete sich von der Schwester und der Base. Gefragt, wo die Gefangene sich aufhalte, antwortete er: „Ich habe Anweisung erteilt, sie in ihrer Kammer einzusperren. Es ist an der Zeit, sie zu erinnern, wer sie ist. Peigi wird sich um sie kümmern.“ Innerlich bestürzt, bemerkte er den vielsagenden Blick, den Bridget und Fiona tauschten. Die Schwester ergriff die Hand der Base und drückte sie. Die Erkenntnis, dass Seana offenbar recht mit der Behauptung hatte, die beiden trachteten ihr nach dem Leben, beruhigte ihn nicht, während er sich zu den Stallungen begab. Er wusste, er verriet Micheil.
Zu seiner Begleitung hatte er Balor MacSengainn und Ogma MacMidyr erkoren, Mitglieder seines Clans, von denen er wusste, dass sie keinen Anlass hatten, an seiner Ergebenheit dem ältesten Bruder gegenüber zu zweifeln. Mit einem Blick bedeutete er Seana, aufzusitzen. Jäh wurde er sich gewahr, dass er nicht wusste, ob sie reiten könne. Sie zu fragen war es jedoch zu spät, denn nur, wenn er in starkem Galopp vorankam, würde er bei Anbruch der Abenddämmerung Master MacSinclairs Land erreicht haben.
Linkisch stellte Seana den Fuß in den Steigbügel und schwang sich umständlich auf das Pony. Gutmütig ertrug sie die groben Scherze der Reisigen über ihre wenig eindrucksvolle Haltung im Sattel. Zum Glück machte sie die Eskorte nicht misstrauisch, da sie sich aus Angst, entdeckt zu werden, nach Kräften bemühte, das Pferd zu lenken. Der schrecklichste Moment war, als man sich dem inneren Tor näherte. Sie befürchtete, die dort postierten Wärter könnten merken, dass der angebliche Junge ein Weib war. Sie war froh, dass die Kalotte ihr Haar verbarg, straffte sich und zog die Kappe tiefer in die Stirn. Die weiten, bis über die Taille ausgeschnittenen Ärmel und die Fülle des Glockenmantels verbargen ihre Gestalt und ließen nur die Schnabelschuhe sehen, die sie mit kleinen Linnenstücken ausgestopft hatte. Bei jedem Schritt, den der Galloway sich der großen Schwinge näherte, glaubte sie, gleich das Warngeschrei der Wachen zu hören.
Indes ging alles gut. Das Tor wurde geöffnet und das Fallgitter hinaufgezogen. Gleichermaßen unbehelligt ritt man durch das Kammertor. Im Stillen atmete Seana auf, als die Fallbrücke wieder hochgezogen wurde und sie sich in Freiheit wusste.
Fliegenden Haares preschte David voran. Die Sonne stand hoch im Zenit, als er sich entschloss, Seana zu sich zu winken. Er gab ihr ein Zeichen, hielt seinen Hengst an und sagte, sobald sie bei ihm war, laut und vernehmlich: „Zieh gen Norden, Lugh, und überbringe meinem Bruder Micheil dieses Schriftstück.“
Sie nahm den Köcher entgegen und schaute dem sich rasch entfernenden Master David hinterher. Sie hatte ihm nicht danken können, um sich nicht zu verraten. Eifrig brach sie das Siegel, zog das Pergament aus dem Behälter und entrollte es. Master David hatte ihr eine Karte gezeichnet, mittels deren sie sich auf dem Weg nach Craigell Castle orientieren konnte. Endlich war sie frei. Glücklich setzte sie die Reise zum Bruder fort.
Verwundet wurde Micheil in die Veste gebracht. Er hatte Fieber, und man unternahm alles, um ihm das Leben zu bewahren. Ein Schwerthieb hatte ihn in die linke Seite getroffen.
Fiona wusch die Wunde aus; die Base bestrich sie mit einer aus Ringelblumen und Melisse hergestellten Salbe und verband dann den Schmiss.
Gemeinsam mit der Meierin wachte Bridget beim Bruder und träufelte ihm den Sud aus Kohl und Schlehenblüten ein, der die Entzündung zum Abklingen bringen sollte.
Nachdem man sich nur um das Wohlergehen des Laird gekümmert hatte, war Niall der Erste, der am vierten Tag wieder an die Gefangene im Bergfried dachte. Er schlug Alarm, hastete zum Vetter und berichtete ihm von Davids Treuebruch.
Micheil befahl James zu sich und trug ihm auf, unverzüglich hinter David herzureiten und ihn zurückzubringen.
Seana hatte sich die Heimkehr anders vorgestellt. Der geliebte Bruder schien ein gebrochener Mann zu sein. Er war trunken und vermochte nicht, sich zu ihrer Begrüßung aufzuraffen. Noch schlimmer war, dass er auch in den folgenden beiden
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