Historical Platin Band 04
Tagen nicht zu sich kam und nicht begriff, wer Seana war. Das Hausgut der Familie war verwüstet und gebrandschatzt; die Räumlichkeiten der Veste zeugten von langwährender Verwahrlosung. Die Unbill, der Seana ausgesetzt gewesen war, hatte ihr jedoch den Lebenswillen gestärkt.
In Ethwinn, der einst mit ihrer damals noch jungen Mutter nach Craigell Castle gekommenen Kammerfrau, hatte sie eine Verbündete, wohingegen Maille, eine Magd, mit der Liam sich verlustierte, sich ihr widersetzte. Sie musste sie gehörig zur Vernunft rufen und begann dann, nach dem Ort zu suchen, wo er die Mittel versteckt hielt, dank deren er sich ständig betrinken konnte. Schließlich zeigte Ethwinn ihr das ihr bisher unbekannte Gelass in der Mauer der Gewandkammer, und erläuterte ihr, wie es zu öffnen war. Verborgen hinter dem auf Eisenschienen herausgedrückten Quader in der Nische stand ein kupferbeschlagenes Kästchen, das noch zur Hälfte mit Florens, Goldnobels und anderen Münzen gefüllt war.
Ethwinn nahm die Herrin dann in die Kapelle mit, ging mit ihr hinter die vorderste Säule im Chor und drückte auf eines der am Sockel gemeißelten Blätter. Die geheime Feder ließ in der Rundung einen Stein aufschwingen, der eine gesteinte Kassette freigab. Sie war, wie Ethwinn erklärte, von ihr dort gleich nach dem Tod von Seanas Mutter verborgen worden und enthielt deren Kleinodien. „Ihr müsst die Mittel haben, um die MacGlendons bekämpfen zu können“, sagte sie eindringlich. „Bringt den Schmuck zu den MacKeith’. Sie sind habgierig und werden Euch gegen gutes Entgelt beistehen.“
„Hat mein Bruder überhaupt keine Gefolgsleute mehr? Sind sie alle geflohen?“
„Es waren harte Jahre, Mistress, in denen wir dachten, Ihr wärt tot. Dughall und Siward MacNeice sowie Angus und Calum MacAlret sind ihm treu geblieben. Alle anderen sind zu den MacKeith’ übergelaufen, die ihnen Schutz gewährten, weil er nicht mehr dazu imstande war.“
„Ich habe viele Erfahrungen gesammelt und weiß, dass die MacKeith’ nicht mit einem Weib verhandeln werden. Du musst mir helfen, Ethwinn, meinen Bruder zu ernüchtern. Er muss mir erzählen, was damals wirklich mit seiner Gattin geschehen ist, und dafür sorgen, dass unsere Sippe wieder zusammenhält. Ich schwöre, ich lasse mich nicht noch einmal gefangen nehmen“, fügte Seana hart hinzu. „Jeder unserer Toten soll gerächt werden.“
Voll neuer Tatkraft und Entschlossenheit beschämte sie die in der Hofstube versammelten Männer. Sie forderte sie auf, ihr beizustehen, appellierte an deren Stolz und verlangte, dass sie den einst geleisteten Eid einlösten. Mit Calum MacAlrets und Dughall MacNeices Hilfe sorgte sie dafür, dass der Bruder nur Wasser zu trinken bekam. Als seine Buhle versuchte, ihm heimlich Bier zu verschaffen, wurde sie in die Kemenate gewiesen. Seana setzte alles daran, sich umgehend auf den Überfall durch die MacGlendons vorzubereiten, da sie wusste, dass ihr nur wenig Zeit blieb. Ungeachtet der von der alten Kammermagd ausgesprochenen Warnungen, ein Teil der MacKeith’ habe früher gemeinsame Sache mit den MacGlendons gemacht, entsandte sie Siward MacNeice mit den Gemmen, Spangen, Ohrringen und Ketten zu ihnen und trug ihm auf, sich der Unterstützung dieses mit Micheils Sippe verfeindeten Clans zu vergewissern.
Der Sommer verstrich. Seanas Leib rundete sich, und der Bruder gewann die Kraft zurück. Seana war sicher, der Allmächtige habe ihre Gebete erhört, da sich bislang kein MacGlendon an den Grenzen ihres Hausgutes gezeigt hatte.
Aus Rücksicht auf die Gesundheit der Herrin enthielt Ethwinn sich weiterer Warnungen, als eines Tages Master Joris MacKeith in der Burg eintraf. Mistress Seana trieb sich und alle anderen Bewohner der Veste an und holte langsam wieder Sassen auf die verwaisten Bauerngehöfte zurück.
Froh, dass der Bruder das Oberhaupt der MacKeith’ wachen Sinnes empfangen konnte, verdrängte Seana die quälenden Gedanken an Micheil, der sie entehrt und ihr, wie sie befürchtete, für immer das Herz gestohlen hatte. Niemand stellte ihr das Recht infrage, sich im Studierzimmer zum Bruder und Master Joris zu setzen und mit anzuhören, welche Bedingungen für den Pakt gegen die MacGlendons ausgehandelt wurden. Sie fand es nicht befremdlich, dass Liam sie gegen Ende der Unterredung bat, ihm und dem Gast Erfrischungen zu holen. Sie hätte ohnehin keine Einwände erhoben, da er ihr versprochen hatte, ihr alles zu berichten, was in jenen
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