Historical Platin Band 04
Gasthof. „Hier steigen wir gewöhnlich ab“, sagte er. „Wir müssen etwas essen.“
„Ist sie weit entfernt?“
„Wer?“
„Die Schenke der Sachsen.“
„Keine Ahnung. Ich habe nicht danach gefragt.“
Ingemar beschloss, Lars heute lieber nicht weiter über Einar und dessen Sachsenfreund auszuhorchen. Abgesehen davon, dass sie Hunger hatte, fragte sie sich langsam, ob Lars inzwischen vielleicht schon bedauerte, sie hierher begleitet zu haben.
Nachdem sie ihre Siedlung verlassen hatten, waren sie zu einem benachbarten Dorf geritten, wo sie ihre Pferde verkauft und eine Passage auf einem Kauffahrer bezahlt hatten, der nach Haithabu absegeln wollte. Es wurde eine ziemlich lange Seereise, und während der meisten Zeit war Lars ungewöhnlich still gewesen.
Möglicherweise tat es ihm leid, dass er die Männer verlassen hatte, mit denen er sein ganzes Leben lang zusammen gewesen war. Vielleicht war ihm bewusst, dass er niemals wieder den geachteten Posten des Steuermanns auf Svends prächtigstem Schiff würde bekleiden dürfen. Und vielleicht zweifelte er inzwischen auch an ihr, Ingemar.
Sie lächelte still vor sich hin. Heute Nacht wollte sie Lars alles erlauben, was er sich wünschte, und danach würde er sicherlich nichts mehr bedauern. Außerdem sollte er nicht vergessen, dass sie schließlich auch einen gewissen Stand aufgegeben hatte, denn Björn, ihr Vater, war der beste Schiffbauer, dem man begegnen konnte.
Ihre Miene verdüsterte sich, als sie an ihren endgültigen Abschied von ihrem Vater denken musste. Björn war wie gewöhnlich mit seinen Gedanken ganz woanders gewesen, denn er hatte einen neuen Einfall für die Gestaltung des Mastes an Svends nächstem Schiff im Kopf bewegt.
Ingemar hatte ihm nicht genau zugehört, er hatte ihr ebenfalls nicht genau zugehört, und so war es eigentlich immer in ihrem Verhältnis gewesen.
Jedenfalls war sie jetzt glücklich, das Dorf hinter sich gelassen zu haben. Sie war es einfach leid gewesen, die verstohlenen Blicke der Frauen zu ertragen und dabei zu wissen, dass diese sie mit der Sächsin verglichen.
„Lars!“, rief eine junge Frau, als sie den Gasthof betraten. „Bist du allein gekommen? Wo ist Einar?“
Mit finsterer Miene sah Ingemar das hübsche Mädchen näher herankommen.
„Guten Tag, Sigrid. Ja, ich bin allein …“, begann Lars. Ingemar stieß ihn an. „Das heißt … ich bin mit Ingemar hier, meiner Ehegattin.“
Ingemar versuchte, sich ihr Missfallen nicht ansehen zu lassen. Natürlich hätte sie Lars’ Gemahlin sein können, doch formelle Geschenke waren bis jetzt noch nicht ausgetauscht worden.
Sigrid beäugte Ingemar, die mit hochmütigem Gesicht an Lars’ Seite stand. „Wir hätten da einen sehr hübschen Raum frei.“
„Sehr schön“, sagte Ingemar.
„Folgt mir.“
Sigrid führte sie durch das Gedränge der männlichen Gäste, von denen die meisten Ingemar mit lüsternen Blicken verfolgten, was diese hoch erfreute.
„Zu schade, dass Einar nicht auch mit euch gekommen ist“, meinte Sigrid, während sie alle drei in ein angrenzendes Gebäude gingen.
„Einar hat geheiratet“, erzählte Lars ihr.
„Ach, wirklich?“, sagte Sigrid überrascht, und als sie die Zimmertür öffnete, fragte sie Lars hinterlistig: „Wenn er im Frühling hierherkommt, bringt er dann seine Gemahlin mit?“
„Wahrscheinlich“, antwortete Ingemar an Lars’ statt und bemerkte dann zufrieden den enttäuschten Gesichtsausdruck der jungen Frau. Das besänftigte ein wenig die Eifersucht, die in ihr wütete, denn sie bezweifelte nicht, dass dieses Mädchen hier mit Einar zusammen gewesen war.
Der Hass auf ihn wuchs immer mehr an und damit auch ihr Entschluss, schreckliche Rache zu nehmen. Sie wollte Lars überreden, ihr zu verraten, wo sich diese sächsische Schenke befand. Dann würde sie sich dorthin begeben und den Leuten genau erklären, wo sich die beiden Sachsenkinder befanden – und die Sachsenfrau auch.
Sie wartete, bis Sigrid gegangen war und die Tür hinter sich geschlossen hatte. Dann schenkte sie Lars ein liebliches Lächeln und entledigte sich langsam ihres Gewandes.
Ull riss Siurt aus dem Bett. Siurt fluchte laut, sein Eheweib tat es ihm nach, doch Ull beachtete die beiden gar nicht. „Zieh dich an!“, befahl er.
Siurt wollte schon protestieren, doch ein Blick in das Gesicht seines Bruders belehrte ihn eines Besseren. Ull hatte ganz offensichtlich getrunken, und es hatte keinen Sinn, unter diesen Umständen mit ihm Streit
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