Historical Platin Band 04
heimbringen. Meradyce wollte er nicht zurückbringen. Er hatte sie dem Dorf und ihnen beiden gestohlen.
Adelar würde Einar bis in die Ewigkeit hassen.
Betha gähnte, und er sah, dass sie noch immer vor Kälte zitterte, obwohl ihn selbst das Feuer gründlich durchgewärmt hatte.
„Leg dich hin und schlafe“, sagte er leise.
Mit seinen beiden Hunden ging Einar als Erstes zu den Stallungen. Ein rascher Blick zeigte ihm, dass keines der Pferde fehlte. Die Kinder konnten also wirklich noch nicht weit gekommen sein, doch das bedeutete auch, dass sie zu Fuß einen Weg durch den immer dichter werdenden Schnee zu finden versuchten.
Einar begab sich zu Svends Halle. Der Boden war hart gefroren und schlüpfrig wegen des nassen Schnees. Die Flocken fielen so dicht, dass man kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Zum Glück wiesen ja die rauen Stimmen der Männer den Weg zur Halle so sicher wie ein Leuchtfeuer.
Die meisten der Männer waren hier versammelt, hörten dem Geschichtenerzähler zu, betranken sich und warteten schon gespannt auf Svends Freude über sein neues Kind.
„Ein Sohn?“, riefen Thorston sowie ein paar von den anderen und lächelten Einar strahlend entgegen, als er eintrat, doch als er in die Mitte der Halle trat, wurde jedermann ganz still.
„Die Sachsenkinder sind verschwunden“, sagte er.
Ull sprang so hastig auf, dass er dabei das Bier aus seinem Trinkhorn verschüttete. „Was?“
„Die Sachsenkinder sind verschwunden“, wiederholte Einar.
„Wir müssen sie suchen.“
Siurt, der schon halb geschlafen hatte, ergriff das Wort. „Es schneit viel zu stark. In diesem Wetter würden wir nicht einmal unsere eigenen Bäuche finden.“
Hamar erhob sich. „Ich helfe dir bei der Suche.“
Einar nickte.
„Ich auch“, rief Ull.
Einar machte sich gar nicht erst die Mühe, seine Verblüffung zu verhehlen. Mit Ull als freiwilligem Helfer hätte er zuallerletzt gerechnet. Trotzdem konnten sie natürlich jeden Mann gebrauchen, den sie bekommen konnten. Weitere Leute stellten sich zur Verfügung.
Einar ging zur Tür und stieß dabei beinahe mit Meradyce zusammen.
„Ich komme auch mit“, erklärte sie.
„Nein. Der Schnee fällt zu dicht. Für eine Frau ist das zu gefährlich.“ Er drängte sich an ihr vorbei in das heftige Schneetreiben hinaus.
Als er in den Stall trat, zupfte ihn jemand an der Tunika, und er drehte sich um. Meradyce stand hinter ihm, und dichter Schnee lag auf ihrem Haar. „Ich bin daran schuld, dass das geschehen ist. Also werde ich jetzt auch mithelfen.“
Einar schüttelte den Kopf. Ihre Sorge und ihre Angst bestürzten ihn. Sie war an dem Vorfall genauso schuld wie andere Personen auch, obwohl er in ihren Augen keinen Vorwurf las. Hätte er die Kinder in ihrem Heimatdorf zurückgelassen, wie sein Befehl gelautet hatte, dann würden Adelar und Betha jetzt zu Haus und in Sicherheit sein – bei einem Vater, der kaltherzig für den Mord an ihrer Mutter gezahlt und sein eigenes Volk verraten hatte. In Einar regte sich wieder der Zorn auf die ungerechten Götter, die einem solchen Mann einen so prächtigen Sohn geschenkt hatten.
„Nein“, lehnte er ab, und sein Zorn ließ seine Stimme so kalt klingen wie der wirbelnde Schnee draußen. „Du wirst nicht mitkommen.“
„Ich …“
„Nein!“
Meradyce blickte in die Augen des Mannes, den sie liebte, und sie wusste, dass es sinnlos war, mit ihm zu streiten. „Dann finde sie schnell, und bringe sie sicher zu mir zurück.“
Er nickte, bestieg sein Pferd und pfiff nach seinen Hunden. In wenigen Augenblicken hatte ihn die Dunkelheit verschluckt.
„Es ist alles meine Schuld.“ Meradyce stand in Olvas Haus an der Tür und starrte in die Nacht hinaus, ohne dabei das heftige Schneetreiben und den eiskalten Sturm zu beachten, der an ihrem Gewand zerrte. „Ich wusste ja, dass Adelar böse war, doch ich dachte, er …“
Olva kam zu ihr und legte ihr tröstend einen Arm um die Schultern. „Wir alle dachten, er würde sich schon wieder beruhigen. Wer hätte auch ahnen können, dass ihm so etwas einfallen könnte!“
„Ich hätte es ahnen müssen, wenn ich mich nur mehr mit ihm statt mit mir selbst beschäftigt hätte.“
Wie oft in dieser langen Nacht hatte sich Meradyce schon selbst verflucht! Sie hatte ihre Pflicht den Kindern gegenüber vergessen, hatte zugelassen, dass ihr eigenes Glück alles andere überstrahlte.
Olva drückte sie mütterlich an sich. „Und ich hätte sie nie allein lassen dürfen. Wir sind
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