Historical Platin Band 04
lange her zu sein, seit Adelar sie geweckt und ihr gesagt hatte, sie würden jetzt heimgehen. Verwundert und überrascht hatte sie ihn angesehen.
Sie wollte nicht nach Hause zurückkehren. Sie sehnte sich zwar nach ihrer Mutter, doch nicht nach den Vorwürfen und dem Streit zwischen ihren Eltern. Dass sie einander nicht mochten, hatte sie gewusst, doch sie war bestürzt und entsetzt gewesen, als sie erfuhr, dass ihr Vater ihre Mutter hatte umbringen lassen wollen.
Adelar durfte sie nicht erzählen, was sie gehört hatte. Sie wollte ihm nicht denselben Kummer bereiten, der sie quälte. Außerdem hatte sie den unmissverständlichen Ausdruck der Entschlossenheit in seinen dunklen Augen erkannt, als er sie geweckt hatte. Er hatte sich zum Fortgang entschieden, ob mit ihr oder ohne sie.
Also war sie mit ihm gegangen. Zwar hatte er ihr nicht erklärt, wie sie in ihr Heimatdorf zurückfinden würden, doch sie vertraute ihm. Wenn er sagte, er kannte den Weg, dann kannte er ihn auch.
Unterdessen waren nicht nur ihre Füße taub vor Kälte und Erschöpfung, sondern auch ihre Beine. Als Adelar und sie das Dorf verließen, hatte es nur wenig geschneit. Jetzt fiel der Schnee so dicht, dass Betha kaum ihren vorangehenden Bruder zu sehen vermochte.
Gerade als sie dachte, sie könnte keinen Schritt mehr weitergehen, blieb er stehen. Sie hörte Holz über Holz schrammen und merkte, dass er eine Hütte gefunden hatte, deren Tür er jetzt aufstieß.
Betha stolperte hinter ihm her in das dunkle Innere, wo es nach alter Wolle roch.
„Setz dich hin“, sagte Adelar, und sie gehorchte. Er nahm seinen Umhang ab und schlang ihn ihr um die Schultern. Sie wollte das ablehnen, weil Adelar ihn doch sicherlich selber brauchte, doch sie fror so fürchterlich, und der Umhang war so schön warm.
Als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah sie, dass Adelar in das Bündel griff, das er mit sich führte, und etwas herauszog. Er kniete sich neben den aus Steinen geformten Ring in der Mitte der Hütte und schob ein paar Holzspäne und Stroh zusammen. Dann schlug er die beiden Gegenstände zusammen, die er in den Händen hielt. Ein Funke blitzte auf und erfasste das Stroh.
Er hatte Feuer gemacht! Erleichtert rückte sie näher heran, doch er schob sie sanft fort. „Du bist nass. Du wirst darauftropfen. Warte, bis ich irgendwo mehr Holz gefunden habe.“
Betha setzte sich wieder auf den Boden. Holz konnte sie hier nicht entdecken, dafür jedoch einen alten Hocker, dem ein Bein fehlte. Diesen hob Adelar hoch und schlug ihn auf den Boden. Der Schemel zerbarst.
„Wir brauchen noch mehr“, stellte er fest, und sie hörte auch ihm die Erschöpfung an. „Doch der Schemel muss fürs Erste reichen.“ Er griff wieder in sein Bündel und holte eine dicke Scheibe Brot heraus. „Hier, iss“, sagte er und gab seiner Schwester das Brot.
Betha war viel zu müde zum Essen, aber weil Adelar so befehlend gesprochen hatte, versuchte sie es wenigstens. Nachdem sie ein paar Bissen gegessen hatte, fühlte sie sich nicht mehr ganz so erschöpft, und sie war in der Lage, eine neugierige Frage zu stellen. „Wohin gehen wir?“
„Habe ich dir doch gesagt – heim.“
„Wie machen wir denn das?“
„Ich habe Thorston immer genau zugehört und ihn auch ausgefragt. Ich weiß, wo sich das nächste Dorf befindet. Dort wird man uns weiterhelfen.“
„Weshalb sollte uns jemand helfen?“
„Weil wir ganz viel Geld besitzen.“ Adelar griff an einen Lederbeutel an seinem Gürtel, der zuvor unter seinem Umhang verborgen gewesen war. Es klingelte leise darin.
„Woher hast du das Geld?“
„Das tut nichts zur Sache.“
„Du hast es gestohlen!“
Adelar warf ihr einen finsteren Blick zu. „Und wenn schon. Schließlich hat man auch uns gestohlen.“
„Thorston doch nicht“, stellte Betha leise fest.
„Jedenfalls brauchen wir das Geld, wenn wir heimgelangen wollen.“
Betha schaute sich in der Hütte um. „Wie lange werden wir hierbleiben müssen?“
„Bis es zu schneien aufhört.“
„Das kann noch lange dauern.“
Falls Adelar das auch vermutete, so ließ er es sich nicht anmerken. Er ließ sich auch nicht das Schuldgefühl anmerken, das ihn plötzlich überfiel. War es richtig gewesen, Betha mitzunehmen? Sie war ja noch so klein … Andererseits hatte er sie doch nicht bei den Wikingern zurücklassen können.
Nur war sie dort glücklich gewesen und bei Meradyce. Und Einar hatte gesagt, er würde sie beide im Frühling
Weitere Kostenlose Bücher