Historical Platin Band 04
Adelar. „Weshalb hattest du sie mit dir genommen?“
„Sie ist meine Schwester.“
Einar nickte. „Nur weshalb seid ihr im Winter fortgelaufen?“
„Damit es schwieriger für euch wurde, uns zu folgen.“ Adelar seufzte, und das hörte sich beinahe wie ein Aufschluchzen an. „Ich hatte nicht angenommen, dass es so hart für Betha sein würde …“
„Meradyce wird sie wieder gesund machen.“
Einar sah die Tränen, die dem Jungen über die Wangen rollten, und wandte sich ab. Wie jedem anderen Krieger würde es Adelar sicherlich unerträglich sein, wenn ein anderer Mann Zeuge seines Kummers wurde.
„Lieber Gott, hilf ihr!“, flüsterte Meradyce und hielt Bethas heiße kleine Hand fest umklammert. Schon vor zwei Tagen war Einar mit dem Kind heimgekehrt, doch noch immer beherrschte das Fieber den kleinen Körper. Jetzt war es tiefe Nacht, die Zeit, in der viele Seelen zu ihrer letzten Reise aufbrachen, wie Meradyce nur zu gut wusste.
Olva war auf ihrem Hocker neben dem Herd eingenickt. Meradyce hatte sie vergeblich aus dem Haus herauszuhalten versucht, doch davon hatte die resolute Frau nichts hören wollen, womit sie eindeutig bewies, von wem Einar seinen Starrsinn geerbt hatte.
Endredi wohnte noch bei Svend und Asa. Sie kam jedoch oft an die Tür und erkundigte sich über Bethas Gesundheitszustand. Thorston war zum nächsten Dorf aufgebrochen. Dort wohnte eine Frau, die Pelzmäntel anfertigte, von denen jedermann wusste, dass sie besonders warm und weich waren. Eine andere Frau, welche Puppen herstellte, wohnte ebenfalls dort. Thorston war entschlossen, beides für Betha zu erstehen.
Die Kleine bewegte sich ein wenig. Sofort beugte sich Meradyce über sie und wischte ihr die schweißige Stirn mit einem feuchten Tuch ab. Betha schlug die dunkelbraunen Augen auf und versuchte zu lächeln. „Meradyce“, flüsterte sie, und allein das erschöpfte sie schon; ihr Atem ging noch schwerer.
„Du musst nicht sprechen, mein Schatz“, sagte Meradyce sanft. „Trink dies hier.“
Die fiebernde, so kleine, so schmächtige Betha schluckte ein wenig von der Arznei herunter, die das Fieber senken sollte. „Meine Mutter ist tot“, sagte sie leise.
„Nicht doch! Sie ist nicht tot“, widersprach Meradyce.
Betha schien das jedoch nicht zu bezweifeln. Nach einer Weile schlug sie wieder die Augen auf. „Vater hat das doch nicht getan, nicht wahr?“, fragte sie eindringlich. „Er würde sie doch nicht umbringen lassen.“ Sie fing wieder zu husten an.
Meradyce wollte sich ihre Verblüffung nicht anmerken lassen. Hatte Betha auf irgendeine Weise erfahren, dass …? Und falls ja – wie?
Ein neuerlicher Hustenanfall schüttelte das Kind, und Meradyce erbleichte, als sie Blut in dem Auswurf sah. Der rasselnde Atem des Mädchens war im ganzen Haus zu hören. Betha ging es immer schlechter, und es gab nichts mehr, das Meradyce hätte tun können, um ihr zu helfen.
Sie nahm die Hand des kleinen Mädchens in ihre. „O Gott“, murmelte sie. „O lieber Gott …“
Wieder schlug Betha die Augen auf. „Kümmere dich um Adelar“, flüsterte sie. „Er … hat dich noch immer lieb. Sehr sogar.“
„Du sollst doch nicht sprechen, Betha.“
„Und freue dich mit mir, Meradyce. Ich werde jetzt bald bei meiner Mutter sein.“
Ein scharfer Atemzug war zu hören, und ihm folgte Totenstille. Und dann stieß Meradyce einen gequälten Schrei aus.
Olva wachte auf, erfasste die Lage mit einem Blick und schlug die Hände vors Gesicht.
Einar, der in seinem eigenen Langhaus auf und ab ging, hatte den Schmerzensschrei gehört und lief sofort zu Olvas Haus. Er sah Meradyce auf dem Boden knien. Sie hatte die Arme um das Kind im Bett geschlungen und schluchzte laut.
„Betha!“, schrie Adelar hinter Einar auf, und ehe dieser ihn aufhalten konnte, drängte sich der Junge schon an ihm vorbei und warf sich über das Bett. „Betha!“
Meradyce hob ihr tränenüberströmtes Gesicht. „Bringt ihn hier fort“, bat sie. „Das Fieber …“
„Ich will nicht fortgehen!“, kreischte der Junge, als Einar herankam. „Nein!“
Einar fasste ihn auch nicht an, sondern legte die Hand sanft auf Meradyce’ Schulter. „Komm mit mir“, bat er leise. „Adelars Platz ist jetzt an der Seite seiner Schwester.“
Meradyce blickte erst Einar, dann Adelar an. Langsam erhob sie sich. „Ich habe alles mir Mögliche getan“, sagte sie mit bebender Stimme und wollte Adelar in die Arme nehmen.
„Fass mich nicht an“, sagte der Junge
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