Historical Platin Band 04
Meradyce barg ihr Gesicht an seiner Brust.
„Ob Adelar uns wohl jemals vergeben wird?“
„Eines Tages wird er das ganz sicher tun.“
Und eines Tages vergab Adelar ihnen wirklich, doch niemand hätte vermutet, wie lange es noch bis dahin dauern sollte.
Während des ganzen Winters blieb er in sich gekehrt. Mit Einar sprach er kein Wort mehr. Nach und nach zeigte er sich Meradyce gegenüber etwas versöhnlicher, wenn auch nur ein wenig.
Die einzige Person, zu der er mehr als nur ein paar Worte sagte, war Endredi, doch auch ihr gegenüber verhielt er sich mehr als reserviert.
Es schien, als wäre der Knabe zusammen mit seiner Schwester gestorben; zurückgeblieben war ein verbitterter junger Mann, der sich selbst hasste, weil er ein kleines Mädchen hinaus in die finstere, eiskalte Nacht geführt hatte.
15. KAPITEL
Nach Bethas Tod hatte Einar eine richtige Totenfeier nach der Tradition der Wikinger vorgeschlagen, denn das kleine Mädchen war der Liebling aller Frauen in der Siedlung gewesen. Dieses hatte jedoch weder Meradyce’ noch Olvas Zustimmung gefunden; Betha war eine Christin, und deshalb sollte sie auch ein christliches Begräbnis haben. Einar und Svend waren einverstanden. Adelar sprach mit niemandem.
Der Tag der Beerdigung war kalt und stürmisch, und es regnete in Strömen. Einar wollte, dass Meradyce im Haus blieb, denn sie sah blass und krank aus. Sie bestand indessen darauf, an der Feier teilzunehmen, und Einar wusste, dass er sie davon nicht abzuhalten vermochte.
Viele Dorfbewohner hatten sich um das kleine Grab versammelt. Die meisten der Frauen weinten, und sogar die Augen der hartherzigen Ilsa waren feucht.
Jedermann schwieg außer Olva und Meradyce, die Gebete in sächsischer und lateinischer Sprache sprachen. Adelar war ebenfalls zugegen. Stumm wie ein Schatten stand er am Grab. Als die kleine Zeremonie vorüber war, drehte er sich um und ging davon.
In den darauffolgenden Tagen beschäftigte sich Meradyce mit allem Möglichen, und nachts gab sie sich dem wilden, leidenschaftlichen Liebesspiel mit Einar hin, als könnte sie nur so vergessen, was geschehen war. Sie vermochte nur einzuschlafen, wenn sie wirklich restlos erschöpft war.
Eines Morgens hörte Einar sie neben sich im Bett husten, und er merkte, dass sie frierend zitterte, obwohl es unter den Felldecken doch warm war.
„Meradyce“, rief er leise.
Sie rollte zu ihm. „Einar“, flüsterte sie.
Ihm stockte der Atem, als er die dunklen Ringe unter ihren Augen und ihr weißes Gesicht sah. Sie hustete wieder, und jetzt bemerkte er auch das Blut auf ihren Lippen.
Sie stirbt!, war sein erster Gedanke. Sie darf nicht sterben!, war sein zweiter. Er sprang aus dem Bett und zog sich hastig seine Kleider an. „Ich hole Endredi“, sagte er.
Meradyce streckte die Hand nach ihm aus. „Nein. Hole niemanden. Bring mir bitte nur meinen Arzneikorb, und dann lass mich allein.“
„Nein!“
„Doch. Du könntest … auch krank werden.“
„Nein, ich werde nicht krank.“
Diese Behauptung hörte sich so arrogant an, dass Meradyce darüber lachen wollte, doch dazu schmerzte ihr Brustkorb zu sehr. Sie konnte nur hoffen, dass Einar recht behielt. Bevor sie ihn noch einmal zum Gehen auffordern konnte, schüttelte ein neuer Hustenanfall ihren Körper, und sie erkannte, dass sie zu schwach war, um sich selbst zu versorgen.
„Sage mir, was ich tun soll“, drängte Einar, und Meradyce gehorchte.
Mit leiser Stimme erklärte sie ihm, wie eine bestimmte Arznei herzustellen sei, wobei sie sich im Stillen fragte, wie lange sie überhaupt noch die Kraft zum Sprechen aufbringen würde. Mit Mühe schaffte sie es gerade noch, ihre Anweisungen zu erteilen, und dann war sie völlig erschöpft.
Einar hatte aufmerksam und mit höchster Konzentration zugehört. Er wollte schon zum Herd gehen, drehte sich indes noch einmal um und nahm ihre Hand in seine.
„Du wirst auf keinen Fall sterben, Meradyce.“ Plötzlich musste er ein paarmal rasch hintereinander blinzeln, und seine Augen glitzerten höchst verdächtig. „Du darfst einfach nicht sterben.“
Im Laufe des Tages verschlimmerte sich Meradyce’ Zustand zusehends. Einar versuchte sie dazu zu bewegen, etwas zu essen, ein wenig Wein oder Wasser zu trinken, doch bald war sie zu krank, um auf seine Bemühungen zu reagieren.
Am späten Abend kam Endredi zum Haus.
Einar ging ihr an der Tür entgegen. „Meradyce ist krank. Du darfst nicht
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