Historical Platin Band 04
gesehen.“
Meradyce hielt mit ihrem Blumenwinden inne. „Wenn ich nur wüsste, was ich tun soll“, seufzte sie. „So verhielt er sich schon immer, wenn ihn etwas verstört oder verletzt hatte. Er lässt niemanden an sich heran.“
„Er ist sehr stark“, stellte Endredi mit Nachdruck fest.
Meradyce betrachtete das Mädchen, das den Kopf beim Arbeiten gesenkt hielt, sodass das dichte rotgoldene Haar das Gesicht verdeckte. Endredi will ebenfalls kein Mitleid und keinen Trost, dachte sie. Sie will auch im Verborgenen ihre Wunden lecken.
„Ein Schiff!“
Alle Frauen und Kinder stellten ihre Arbeit sofort ein und schauten zum Fjord. Hamar, Einar und Thorston waren zu Pferde unterwegs, und es wurden keine Schiffe erwartet.
Jeder schaute schweigend zu, wie sich das große Schiff langsam den Fjord hinunterbewegte. Da es keinen Wind gab, wurde es unter Riemen durch das glatte Wasser vorwärtsgebracht.
„Das ist kein Wikingerschiff“, sagte Endredi sofort.
„Stimmt.“ Meradyce wurde es langsam unbehaglich, so als braute sich ein Unheil zusammen. Die Konstruktion sah den Langschiffen der Wikinger zwar sehr ähnlich, doch eben nicht ganz. Eine Gestalt bewegte sich zum Bug hin.
„Endredi …“, begann Meradyce.
„Was hast du?“, fragte das Mädchen besorgt.
Meradyce starrte zu dem Schiff hinunter. Ich darf meinen Augen nicht trauen, sagte sie sich. Ich muss mich täuschen. Das darf nicht wahr sein. Der Mann dort am Bug darf nicht Kendric sein!
Der Mann bewegte sich ein wenig, und Metall blitzte im Sonnenlicht auf.
Meradyce ließ ihre Girlande fallen und rannte zum Dorf.
Adelar, der auf einer kleinen Anhöhe außerhalb der Siedlung auf einem Stein saß, sah das Schiff ebenfalls kommen. Er hatte nicht mit den Frauen und Kindern auf die Hügel steigen wollen. Mit den Wikingern und ihrer Religion wollte er nichts zu tun haben, obwohl er die meisten von ihnen nicht einmal hasste. Er empfand einfach … nichts. Es war, als hätte sich die Winterkälte in sein Herz zurückgezogen, um es zu Eis gefrieren zu lassen.
Einst hatte er Meradyce mit aller Leidenschaft geliebt, die ein Junge nur zu empfinden vermochte, doch die war jetzt auch gestorben – zuerst, als Meradyce einen Wikinger geheiratet hatte, und schließlich mit Bethas Tod. Jetzt war Meradyce für Adelar einfach nur noch irgendeine Frau.
Einar jedoch … Adelar hasste Einar. Wenn dieser Mann nicht gewesen wäre, würde sich Adelar heute noch in seiner Heimat befinden. Er hätte sich niemals in den Schneesturm hinausbegeben. Seine Schwester würde noch leben.
Adelar beobachtete das Schiff und verglich es eher gelangweilt mit Einars, das sich langsam im Wasser am Anleger wiegte. Das fremde Schiff war nicht so elegant wie Einars, und mit dem Bug stimmte auch irgendetwas nicht ganz.
Plötzlich hörte der Junge jemanden schreien – Meradyce. Mit fliegenden Röcken rannte sie in die Siedlung. Endredi folgte ihr auf dem Fuß. Adelar stand auf und fragte sich, was da wohl geschehen sein mochte. „Sachsen!“, erscholl der Schreckensschrei vom Dorf her.
Adelar drehte sich wieder zum Schiff um. Große Freude erfüllte ihn. „Das ist mein Vater“, flüsterte er leise. „Er ist gekommen, um mich zu holen!“
Svend und die daheimgebliebenen Männer traten mit blankgezogenen Schwertern aus ihren Langhäusern.
Kendric führte so viele Kämpfer mit sich, wie sein riesiges Schiff hatte aufnehmen können. Noch ehe es festgemacht war, hatten sich die Soldaten am Ufer aufgereiht. Sie bewegten sich indessen nicht vorwärts.
Svend blieb vor dem Siedlungstor stehen. „Wartet!“, rief er seinen Männern zu, die jedoch weiterstürmten. „Wartet!“, brüllte er, und endlich hielten sie inne und starrten zu den Sachsenkriegern hinüber.
Meradyce, von Olva und Endredi gefolgt, stand ebenfalls beim Tor. Die drei beobachteten, wie Svend auf Kendric zuschritt, der seinerseits in arroganter Haltung zu dem Wikingerhäuptling herankam.
Wo mag Adelar nur sein?, fragte sich Meradyce. Falls der Knabe jetzt erschien, würde es vielleicht keinen Kampf geben. Sicherlich war Kendric doch nur gekommen, um seinen Sohn zu holen. Er konnte schließlich nicht wissen, dass Einar und die anderen unterwegs waren.
Sie ging weiter. Sie konnte Svend bei dessen Gespräch mit Kendric helfen, und außerdem hatte sie noch eine weitere Pflicht zu erfüllen.
„Was hast du vor?“, rief Olva leise und wollte Meradyce festhalten.
„Ich kann ihnen bei ihrem Gespräch von Nutzen sein.
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