Historical Saison Band 06
sie beinahe verführt. Bei der geringsten Ermunterung würde ich mich wahrscheinlich hoffnungslos in sie verlieben …“
Keine Frage, eine solche Aussage würde ein Gentleman, der halbwegs bei Verstand war, niemals treffen, auch wenn sie vollkommen der Wahrheit entsprach.
„Verstehe“, sagte Anthony Lyndhurst. „Dann willigen Sie also in eine unverzügliche Verlobung ein? Unter den gegebenen Umständen halte ich diesen Schritt für das Beste. Es gab eine Menge Zeugen …“
Peter zuckte bei diesem Gedanken zusammen. Er konnte nicht zulassen, dass Cassandras Ruf litt. Er holte tief Luft. Er war in der Absicht nach Berkshire gereist, ein Vermögen zu heiraten, war also mit einer skrupellosen Einstellung gekommen und in der Annahme, nicht mehr als höflichen Respekt für seine künftige Braut zu empfinden. Und warum machte nun ausgerechnet die Tatsache, dass er sehr viel mehr für seine potenzielle Braut empfand, die Angelegenheit komplizierter? Plötzlich fühlte er sich für ihre Gefühle ebenso verantwortlich wie für seine eigenen. Er wollte nicht, dass sie sich wegen dem, was im Gasthaus zwischen ihnen vorgefallen war, zu einer Ehe gezwungen fühlte.
Er blickte Lyndhurst an, der ihn nach wie vor genau beobachtete. „Ich möchte erst in aller Form um Miss Ward werben und um ihre Hand anhalten“, begann er. „Wir hatten sehr wenig Zeit, einander kennenzulernen.“
Der Major warf ihm einen spöttischen Blick zu. „Immerhin hatten Sie genug Zeit, um sie zu kompromittieren, so wie es aussieht“, erwiderte er. „Sie können nach der Verlobung in aller Form um meine Cousine werben, Townend.“
Einen Moment herrschte Stille, dann nickte Peter zögerlich. „Gut, es ist mir eine große Ehre, Miss Ward zu heiraten.“
Lyndhurst streckte ihm seine rechte Hand entgegen, und Peter schüttelte sie. Dann goss der Hausherr ihm ein Glas Brandy ein. Peter nahm es dankend an. Die Atmosphäre wurde zunehmend herzlicher, und das Gespräch nahm rasch einen ungezwungenen und freundschaftlichen Ton an. Sie redeten über ihre Zeit beim Militär und über das Programm, das für die Gäste der House Party geplant war. Den beiden Männern kam nicht in den Sinn, dass Cassie eine eigene Meinung zu der verabredeten Eheschließung haben könnte und dass diese Meinung durchaus nicht dem entsprach, was sie erwarteten.
3. KAPITEL
„Kommen Sie, Miss Cassandra, ich weiß, dass Sie da drunter sind.“ Elizas Worte drangen durch die zwei dicken Federkissen, die sich Cassie vergeblich über den Kopf gelegt hatte, um sich gegen den beginnenden Tag abzuschotten.
„Miss Cassandra!“ Die Stimme der Zofe wurde energischer. „Kommen Sie heraus, oder ich ziehe Sie mitsamt der Bettwäsche herunter!“
Stöhnend schleuderte Cassie die Kissen von sich und blinzelte gegen das Tageslicht. Es war ein wunderschöner Herbstmorgen. Eliza hatte die Vorhänge zurückgezogen, und helles Sonnenlicht durchflutete den Raum. Cassie starrte auf die Schatten, die über die Decke wanderten. Ihr fiel ein, dass für die Gäste der House Party an diesem Tag eine Bootsfahrt auf dem See vorgesehen war, und da das Wetter mitspielte, stand dem nichts im Wege. Nach dem Dinner sollte am Abend getanzt werden. Als die Aktivitäten und Vergnügungen geplant wurden, hatte sie sich darauf gefreut. Jetzt wäre sie am liebsten für immer im Bett geblieben.
Nachdem sie am Vorabend aus Lynd zurückgekommen waren, hatte Eliza sie sofort ins Bett gesteckt und sie gezwungen, eine heiße Milch zu trinken, um einer Erkältung vorzubeugen. Mit Argusaugen hatte die Zofe über ihre Ruhe gewacht, damit keiner – am allerwenigsten Cassies Anstandsdame – in ihre Nähe kam. Erschöpft von Likör, süßer Leidenschaft und Überanstrengung war Cassie in einen traumlosen Schlaf gesunken. Erst als sie am Morgen erwachte und wieder ganz klar im Kopf war, waren ihr all die unliebsamen Aspekte ihrer Lage zu Bewusstsein gekommen. Sie hatte sich völlig unmöglich benommen. Anthony und John waren mit Sicherheit wütend und entrüstet über ihr schockierendes Verhalten. Lady Margaret, ihre Anstandsdame, würde sie mit eisiger Missachtung strafen. Sogar Eliza, die bekanntermaßen sehr nachsichtig war, würde sie tadeln. Und zu allem Überfluss hatte inzwischen jeder in Lynd und im Herrenhaus von dem Vorfall im Gasthaus gehört, weil in dieser Gegend unweigerlich immer jeder alles über den anderen erfuhr.
Sie musste Peter Townend schon beim Frühstück gegenübertreten. Allein bei dem
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