Historical Saison Band 06
ist sie auch nicht besser als die Dirnen vom Londoner Haymarket.“
„Du gehst zu weit, Eliza“, gebot Cassie ihr Einhalt.
„Einige sehen eben Dinge, die anderen verborgen bleiben“, bemerkte Eliza mit bedeutungsvoller Miene.
Cassie seufzte tief. Trotz ihrer beträchtlichen Abneigung gegenüber der Aufpasserin gab es für sie keinen Beweis für die Sittenlosigkeit, auf die Eliza anspielte. Wenn man bedachte, wie sehr sich ihre Cousins um ihren Ruf sorgten, war es hochgradig unwahrscheinlich, dass sie eine Frau als Anstandsdame bestimmen würden, an deren Tadellosigkeit die geringsten Zweifel bestanden. Dementsprechend hielt sie Elizas Verdächtigungen für unbegründet.
„Mr Timms und ich denken, dass sie eine falsche Schlange ist“, erklärte Eliza mit Entschiedenheit.
Cassie seufzte erneut.
„Darüber habt Timms und du also vor ein paar Tagen auf der Treppe gesprochen“, sagte sie. „Ihr machtet einen sehr vertrauten Eindruck.“
Verwundert stellte Cassie fest, dass ihre sonst so schlagfertige Zofe auf einmal ausgesprochen verlegen wirkte. Sie presste die Lippen zusammen und errötete verschämt.
„Mr Timms und ich haben über die Vorzüge holländischer Wäschestärke geredet, Miss Cassandra. Wir kennen uns nun schon viele Jahre, und dennoch haben wir nie mehr als ein paar nette Worte ausgetauscht, das müssen Sie wissen.“
Cassie merkte, dass Eliza aufgebracht war. Sie sprang vom Bett und umarmte sie stürmisch. „Es tut mir leid, Eliza. Ich habe es nicht böse gemeint. Mir ist bloß aufgefallen, dass dir Mr Timms’ Meinung wichtig ist.“
Eliza entspannte sich, und sie lächelte zaghaft. „Ich weiß doch, dass Sie es nicht böse gemeint haben, meine Kleine.“ Sie seufzte. „Mr Timms und ich … nun … manchmal wünschte ich …“
„Ja?“, ermunterte Cassie sie.
„Ich wünschte, wir bekämen eine Chance, miteinander glücklich zu werden“, beendete Eliza hastig ihren Satz. Cassie fiel auf, dass die Zofe währenddessen mehrmals fahrig einen Unterrock zusammenfaltete und wieder öffnete. „Wir kennen einander beinahe zwanzig Jahre, gehören aber zu unterschiedlichen Haushalten mit eigenen Verantwortlichkeiten … Nun, es sollte wohl nicht sein. Und jetzt ist es, denke ich, zu spät. Es macht keinen Sinn darüber zu sprechen. So sieht es aus.“
„Oh, Eliza!“ Cassie empfand tiefes Mitleid für die Misere ihrer Zofe. Sie hatte nicht geahnt, dass Elizas Gefühle für Timms so tief waren, und ihr wurde nun bewusst, dass sich hinter der rauen Art, die ihre Zofe manchmal an den Tag legte, viele schmerzhafte Empfindungen verbargen.
„Und jetzt …“ Eliza drehte sich weg und war offenkundig bemüht, das Thema nicht weiter zu vertiefen. Sie schob Cassie sanft in Richtung der Truhe, auf der sie ein kirschfarbenes Kleid ausgebreitet hatte.
„Ich finde, die Farbe passt gut zu Ihrem Teint.“ Sie betrachtete Cassie einen Augenblick mit zur Seite gelegtem Kopf und lächelte. „Sie sind schön wie ein Maimorgen. Lassen Sie sich also nicht von dieser verbitterten alten Hexe irgendetwas anderes weismachen. Die ist nur eifersüchtig.“
„Eliza!“
„Außerdem“, fuhr die Zofe unbeirrt fort, „glauben Sie bloß nicht, was sie über den Viscount sagt. Er ist Ihretwegen hergekommen, Miss Cassie, nicht wegen eines alten Flittchens!“
Cassie setzte sich auf die Truhe und zerknitterte dabei beinahe das Kleid, das Eliza rasch unter ihr wegzog.
„Wenn er tatsächlich hergekommen wäre, um mir den Hof zu machen, wäre es eine andere Sache, Eliza. Aber in Wahrheit hat er es nur auf mein Geld abgesehen.“ Sie seufzte. „Zeige mir einen Gentleman, bei dem das anders ist! Sogar Großtante Harriet hat einmal gesagt, dass es unschicklich für ein junges Mädchen sei, so viel Geld wie ich zu besitzen.“
Eliza stemmte die Hände in ihre stämmigen Hüften und musterte Cassie mit wissender Miene. „Sie sind eine Erbin, und an dieser Tatsache werden Sie wohl nicht vorbeikommen, Kindchen. Sie müssen also anfangen, einen Mann danach zu bewerten, was für einen Charakter er besitzt, und dann urteilen, ob Sie allein im Mittelpunkt seines Interesses stehen. Dieser Viscount scheint mir ein ganz angenehmer Zeitgenosse zu sein. Ich würde ihm eine Chance geben.“
Cassie hob den Kopf. „Anthony hat ihm diese Chance längst gegeben, indem er einer Verlobung zugestimmt hat! Dieses arrogante männliche Wir-entscheiden-das-unter-uns!“
„Hören Sie auf, sich selbst zu bemitleiden“, wies Eliza
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