Historical Saison Band 06
Dieses Geräusch lenkte die Aufmerksamkeit des Mannes von seinem Gegner ab. Eine Sekunde zu lang, denn Lyndhurst-Flint traf ihn mit der Faust und stieß ihm ein angewinkeltes Knie in den Magen.
Verängstigt hielt Amy die Hände vor das Gesicht.
Der Kampf, der dann folgte, war kurz und heftig. Obwohl Lyndhurst-Flint ihn mit der plötzlichen Attacke überrascht hatte, war er kein ebenbürtiger Gegner für Amys Retter. Nach wenigen Minuten lag Lyndhurst-Flint ausgestreckt am Boden und blutete stark.
Der Mann, der Amy geküsst hatte, blickte auf ihn hinab. „Bei Gott, William, das wirst du nicht noch einmal bei einer Frau tun!“
„Und wer will mich daran hindern? Du? Kommst du dann extra aus deiner Gefängniszelle?“
Der Bärtige packte Lyndhurst-Flint unsanft am Hemd. Er zog den blutenden Mann auf die Füße.
„Sir!“
Timms erschien an der Tür.
Unwirsch löste Lyndhurst-Flint sein Hemd aus dem Griff des Mannes und zog mit einem verächtlichen Blick auf seinen Gegner ein feines Seidentaschentuch aus seiner Westentasche, das er gegen sein blutendes Gesicht drückte. „Der überall gesuchte Familienflüchtling ist aufgetaucht, Timms! Förmlich aus dem Nichts. Am besten Sie holen den Major. Er wird sicher dafür Sorge tragen, dass dem Gesetz genüge getan wird.“
Timms starrte den verletzten Mann unwillig an. Dann schaute er zu dessen Gegner hinüber. Amy schenkte er kaum Beachtung. Er machte auf dem Absatz kehrt und verschwand.
Marcus blickte Amy besorgt an. Sie war leichenblass. Aber glücklicherweise fiel sie nicht in Ohnmacht! Es war sträflich leichtsinnig von ihr gewesen, sich allein mit William in einem Zimmer aufzuhalten. William kannte bei weiblichen Dienstboten kein Tabu. Sie befanden sich in ständiger Gefahr. Wusste Anthony davon? Wahrscheinlich nicht. Und noch entscheidender war, dass Amys Identität auffliegen konnte, falls Anthony sie zu dem Vorfall befragte.
Er schob sie auf die Tür zu. „Gehen Sie!“, befahl er streng.
„Aber …“
„Gehen Sie! Ich werde mit dem Major und diesem kläglichen Exemplar eines Gentlemans alleine fertig.“
„Das werden wir ja sehen“, zischte William. „Und was die da angeht, denkst du wirklich, Anthony schenkt dem Wort einer einfachen Bediensteten mehr Glauben als meinem?“
„Du musst nicht nur das Wort einer Bediensteten fürchten, William“, erwiderte Marcus giftig. Amy wirkte noch immer wie erstarrt. „Um Himmels willen, tun Sie eigentlich nie, was man Ihnen sagt? Gehen Sie endlich auf Ihr Zimmer! Ich kläre das schon.“
Die Heftigkeit, mit der er seiner Aufforderung Nachdruck verliehen hatte, ließ Amy zusammenfahren. Sie nickte und hastete aus dem Zimmer.
Als Amy außer Sichtweite war, atmete Marcus tief durch. Zumindest im Augenblick war sie in Sicherheit. Jetzt musste er nur noch mit Anthony klarkommen.
Ihm blieb so gut wie keine Zeit, sich darauf vorzubereiten, denn der Hausherr schritt bereits mit Timms auf den Fersen den Gang entlang.
Als er die Tür erreichte, sagte Anthony: „Warten Sie draußen, Timms. Niemand soll das Zimmer betreten. Stellen Sie sicher, dass keiner bemerkt, dass wir hier sind.“
Timms nickte.
Anthony schloss die Tür hinter sich und blieb vor den beiden Männern stehen. Obwohl er wütend war, blieb seine Stimme ruhig. „Nun?“, fragte er mit finsterer Miene, wobei er weder Marcus noch William direkt in die Augen schaute.
Marcus zog es vor zu schweigen. Die Kluft, die sich zwischen ihm und Anthony aufgetan hatte, war weiter denn je.
„Marcus ist hier einfach so aufgetaucht. Du kannst doch einem, der vor dem Gesetz flieht, keinen Unterschlupf gewähren, Anthony. Er muss sich für seine Tat vor Gericht verantworten.“
„Du würdest also deinen eigenen Cousin ans Messer liefern, William?“, fragte Anthony leise.
„Wir müssen uns an das Gesetz halten, Anthony. Das weißt du genauso gut wie ich. Falls Marcus tatsächlich unschuldig sein sollte, wird der Richter ihn schon freisprechen.“
„Du verfluchter …“, begann Marcus.
„Du vergisst, dass ich dort war und deine Drohungen vernommen habe“, fuhr ihm William ungerührt über den Mund. „Und ich habe nicht nur deine Drohungen gehört, ich erinnere mich auch an all die Beleidigungen, die du von dir gegeben hast.“
Anthony wich einen halben Schritt zurück, als hätte man ihn geschlagen.
„Ich habe an diesem Abend viel gesagt. Ich gebe zu, dass ich mich unklug verhalten habe. Aber es waren nichts als Worte. Ich habe Frobisher kein
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