Historical Saison Band 08
wagte nicht zu nicken, geschweige denn zu reden, so sehr konzentrierte sie sich. Stattdessen steuerte sie auf die Mitte des Sees zu, wo Annabell zuvor ihre Runden gedreht hatte. Als sie das Mondlicht vor sich auf dem Eis glitzern sah, wurde sie ganz übermütig und drehte sich mit ausgebreiteten Armen. Ihre Röcke bauschten sich um sie herum auf, der Umhang blähte sich im Wind, und ihr lockiges Haar, das ohnehin kaum von den Haarnadeln in Zaum gehalten wurde, löste sich und wehte um ihre Schultern.
Ihr temperamentvoller Übermut faszinierte Guy. Das war eine Seite an ihr, die er zuvor noch nicht kennengelernt hatte. Aber er kannte sie ja auch erst seit Kurzem, obgleich es ihm viel länger vorkam.
„Sie ist entzückend“, bemerkte Annabell, die an Guys Seite zum Stehen kam. „Es ist schade, dass du an Miss Duckworth vergeben bist.“
„Schade für wen?“, fragte er langsam. „Für mich jedenfalls nicht.“
„Ha! Ich habe doch beobachtet, wie du sie ansiehst. Du würdest sofort über sie herfallen, wenn du nur könntest.“ Sie hielt inne, um die Wirkung ihrer Worte abzuwarten, und fügte hinzu: „Und sie fühlt dasselbe für dich.“
„Unsinn.“ Kaum hatte er es ausgesprochen, wusste Guy, dass es nicht stimmte. Er wollte seine Schwester nicht anlügen. Bella und er waren stets ehrlich miteinander gewesen. Möglicherweise lag es daran, dass sie Zwillinge waren.
„Es ist besser so“, sagte er schließlich. „Sie weiß nicht, wer sie ist und was für ein Leben sie führt. Und ich möchte eine Vernunftehe ohne Leidenschaft.“
„Oder Liebe?“, hakte Annabell sanft nach.
„Das auch nicht.“
Felicia, die mit jeder Sekunde auf dem Eis an Sicherheit gewann, wagte eine schnelle Umdrehung. Guy konnte seine Blicke nicht von ihr wenden. Das Mondlicht beschien ihre elegante Gestalt und …
Im nächsten Augenblick fiel sie hin.
Entsetzt schrie sie auf. Sie schlug so fest auf dem Eis auf, dass es ihr beinahe den Atem raubte.
Bestürzt sah Guy, wie sie aufprallte und wie sich sofort dunkle Risse bildeten.
„Felicia!“, schrie er. „Steh sofort auf! Komm zurück!“
Sie drehte sich auf die Knie und schaute sich um. „Oh nein“, ächzte sie. Sie versuchte, sich aufzurichten, und rutschte aus. Weitere Risse breiteten sich aus.
Wild klopfte sein Herz, als Guy zu ihr lief und kurz vor den Rissen anhielt. Er fürchtete, sein Gewicht würde das Eis zum Bersten bringen.
„Versuch nicht, wieder aufzustehen. Kriech so schnell wie möglich auf mich zu!“, forderte er sie auf und bemühte sich, seine Panik zu verbergen.
Felicia wusste, dass sie in Sicherheit war, wenn sie ihn erreichte. Auf Händen und Füßen krabbelte sie auf ihn zu.
Das Krachen von Eis hallte in ihren Ohren wider. Sekunden später brach sie ein. Eiskaltes Wasser raubte ihr den Atem. Sie rang nach Luft, und eisige Flüssigkeit drang in ihren Hals und füllte ihre Lungen. Sie ruderte wie wild um sich, bis ihr Kopf wieder an der Oberfläche auftauchte. Sie hustete und keuchte und ging erneut unter.
„Oh, mein Gott, nein!“, rief Guy.
Zentimeter für Zentimeter bewegte er sich vorsichtig vor, um nicht auch noch einzubrechen. Wenn er einmal untergetaucht war, konnte er ihr nicht mehr helfen.
Er sah sich nach Annabell um. „Ich lege mich auf den Bauch und robbe langsam auf sie zu. Je weniger Gewicht auf dem Eis um sie herum lastet, umso geringer das Risiko, dass wir ebenfalls einbrechen.“
Annabell nickte wie benommen.
Guy legte sich auf den Bauch und arbeitete sich voran. Er musste sie erreichen. Beinahe war er bei ihr, als das Eis unter ihm ächzte. Ihm blieb nicht viel Zeit. Er schob sich bis an das Loch vor und starrte in das dunkle Wasser. Knapp unter der Oberfläche konnte er Felicia ausmachen.
Erneut war ein Krachen zu vernehmen, und ein neuer Riss breitete sich aus.
Ihm lief die Zeit davon. Ohne zu zögern schob er seine Arme so tief wie möglich in das eisige Wasser. Er spürte ihre Finger, bekam sie jedoch nicht zu fassen. Er rutschte noch weiter vor, holte Luft und tauchte mit dem Kopf voran ein, sodass er mit dem gesamten Oberkörper im Wasser war. Endlich konnte er sie packen.
Sein Herz schlug so schnell, dass er meinte es würde zerspringen. Seine Muskeln verspannten sich schmerzhaft, aber er hielt sie fest. Vorsichtig, Millimeter für Millimeter, bewegte er sich nach hinten, um sie herauszuziehen. Es ging zu langsam.
Er spürte, dass Annabell ihn an den Fußknöcheln festhielt. Sie zog, und dadurch gelang es
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