Historical Saison Band 08
Lieblingstante, nicht wahr?“
„Das würde ich nicht behaupten“, entgegnete Philip. „Sicher, nach dem Tod ihrer Mutter verbrachte Beth einige Monate bei der Schwester ihres Vaters. Lady Barfield spielte auch eine wesentliche Rolle bei Beth’ Erziehung und besuchte Ashworth House viel öfter als alle anderen Verwandten. Aber vergiss nicht – im Frühling 1808 wurde Colonel Ashworth dringend nach London berufen und segelte bald danach mit Wellesley nach Spanien. Deshalb hatte die arme Beth kaum Zeit, zu entscheiden, wo sie wohnen wollte. Wer weiß, vielleicht glaubte sie, Lady Barfield hätte sich lange genug in ihr Leben eingemischt. Oder vielleicht wollte sie die Familie nicht zusätzlich belasten, weil diese mit der Planung von Eugenies Zukunft beschäftigt war.“
Nachdem er seine verstorbene Braut erwähnt hatte, warf Lady Chalford ihm unter gesenkten Wimpern hervor einen besorgten Blick zu. Nur selten sprach er über jene Zeit seines Lebens, geschweige denn über seine Verlobung mit Lord Barfields geliebter ältester Tochter. Wann immer das Thema in den letzten Jahren angeschnitten worden war, hatte er sofort einen anderen Gesprächsstoff gesucht – ein Umstand, der Ihre Ladyschaft indes nicht an ihren nächsten Worten hinderte. „Das ist es ja, was mir so sonderbar vorkommt. Beth und Eugenie standen sich sehr nahe – eher wie Schwestern als wie Cousinen. Also müsste man annehmen, bei den Hochzeitsvorbereitungen, in so erfreulichen Zeiten, hätte sie sich lieber bei den Barfields aufgehalten.“
Über das Gesicht ihres Bruders schien ein Schatten zu gleiten, die halb geschlossenen Augen verbargen, was immer er empfinden mochte. „Sicher hatte Beth ihre Gründe, um bei der Tante ihrer verstorbenen Mutter zu leben“, erklärte er in entschiedenem Ton, der bekundete, dass er nicht beabsichtigte, sich weiter darüber zu äußern.
Wenn Sir Philip sich in Stavely Court aufhielt, passte er sich ländlichen Gepflogenheiten an. Auch der nächste Morgen bildete keine Ausnahme. Während seine Schwester in ihrem Schlafzimmer frühstückte, nahm er die Mahlzeit allein im Speisesalon ein. Danach ritt er zu einem Treffen mit seinem Verwalter.
Auf dem Rücken eines seiner edlen Pferde bot er um diese frühe Stunde einen gewohnten Anblick. Schon in jungen Jahren hatte er ein lebhaftes Interesse für die Landwirtschaft entwickelt, und seit er vor sieben Jahren den Titel geerbt hatte, war seine Liebe zu den Ländereien noch gewachsen.
Er befasste sich mit sämtlichen Aspekten der Gutsverwaltung, und das Wohl der Pächter, die seine ausgedehnten Ländereien im West Country bewirtschafteten, lag ihm am Herzen. Der Verwalter wusste, dass er sich mit allen Problemen an seinen Dienstherrn wenden konnte – ein Privileg, das er häufig nutzte. Aber da sie erst am Vortag eine Besprechung abgehalten hatten, waren die Geschäfte an diesem Morgen bald erledigt. Und so konnte Sir Philip den restlichen Vormittag so gestalten, wie es ihm gefiel, denn er musste erst zum Lunch nach Stavely Court zurückkehren.
Er ritt an der Ostgrenze des Wildparks entlang, als ihm plötzlich etwas einfiel. Umgehend lenkte er seinen Wallach zum Pförtnerhaus, wo er Dodd, einen seiner ältesten Angestellten, in seinem kleinen Gemüsegarten arbeiten sah.
„Guten Morgen, Sir. Soll ich den Jungs im Herbst wieder beim Abholzen helfen?“
„Nur wenn Sie sich gut genug fühlen, Dodd. Aber ich bin aus einem anderen Grund hier. Gestern Nachmittag sah ich eine Postkutsche mit vier Reitern durch den Park fahren. Kam sie durch dieses Tor herein?“
„In der Tat, Sir! Kann man’s denn glauben – nach all den Jahren ist Miss Bethany wieder da.“ Grinsend nahm Dodd seinen Hut ab und strich über den kahlen Schädel. „So ein erfreulicher Anblick für meine alten Augen … Es stört Sie doch nicht, dass sie durch den Park gefahren ist?“ Unsicher schaute er zu der hochgewachsenen Gestalt im Sattel auf.
„Natürlich nicht. Aber bleiben Sie wachsam, Dodd. Nicht nur Miss Ashworth ist in letzter Zeit über den Kanal nach England zurückgekehrt“, fügte Sie Philip hinzu, denn er dachte an die – keineswegs grundlosen – Befürchtungen seiner Schwester. „In dieser Grafschaft weiten sich die Unruhen aus. Nach dem Ende des Krieges gegen Frankreich sind viele Heimkehrer verbittert, weil sie keine Arbeit finden …“ Er unterbrach sich und ließ den Blick über die malerische Landschaft schweifen. Seines Wissens hatte hier niemand mehr eine Waffe
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