Historical Saison Band 08
wirst Gelegenheit finden, deine Bekanntschaft mit einigen Nachbarn zu erneuern und ein paar neue kennenzulernen.“ Höflich zog er ihre Hand an die Lippen und verabschiedete sich.
2. KAPITEL
Als die Salontür geöffnet wurde, wandte Beth sich vom Fenster ab. Von dort aus hatte sie ihrem Besucher nachgeschaut, bis er die Zufahrt hinabgeritten und aus ihrem Blickfeld verschwunden war.
Die Rückkehr ihrer Freundin überraschte sie ebenso wenig wie die fadenscheinige Ausrede, mit der sie sich vorhin entfernt hatte. Da Ann sehr scharfsinnig und eine gute Beobachterin war, konnte ihr die besondere Verbindung zwischen dem Herrn von Stavely Court und der Herrin von Ashworth House nicht entgangen sein. Obwohl Beth sich bemüht hatte, ihre Gefühle zu verbergen …
Das tat sie auch jetzt. Auf dem Weg zum Sideboard, auf dem die Karaffen standen, warf sie Ann einen spöttischen Blick zu. „Der Status einer bezahlten Gesellschafterin mag dir zustehen. Aber falls du auch die Rolle einer Anstandsdame übernehmen willst – vergiss es. Ich müsste dich wegen mangelnder Fähigkeiten sofort entlassen.“
Keineswegs gekränkt, lachte Ann. „Meine Liebe, ich wusste, dass dir keine Gefahr droht. Ohne jeden Zweifel ist Sir Philip Stavely ein respektabler Gentleman. Und so gut aussehend!“
Beth, die gerade ihr Glas nachfüllen wollte, hielt inne. „Du hältst ihn für gut aussehend?“
„Oh ja. Du etwa nicht?“
„Eigentlich nicht. Interessant, das durchaus. Jedenfalls fand ich ihn stets vertrauenswürdig, und ich werde ihn niemals anders beurteilen.“
„Du kennst ihn natürlich lange genug, um dir eine Meinung über seinen Charakter gebildet zu haben. Obwohl ich, als wir gestern durch seinen Park fuhren und du deine Beziehung zu ihm erwähntest, den Eindruck gewann, ihr wärt nur befreundete Nachbarn.“
„So ist es, liebe Ann. Gib mir dein Glas, ich schenke dir noch etwas von dem widerwärtigen Gebräu ein, das du bevorzugst.“
Nachdem sie Platz genommen hatten, beschloss Beth, etwas genauer zu erklären, was Philip ihr bedeutete. Zunächst erinnerte sie Ann an die Abende in Spanien, die sie in Gesellschaft Colonel Ashworths und anderer Offiziere verbracht hatten. „Wie du dich sicher entsinnst, genoss ich eine ungewöhnliche Erziehung.“
„Allerdings. Oft genug hat dein Vater betont, du seist ein richtiger Wildfang gewesen und schamlos in Breeches herumgelaufen.“
Beth lachte belustigt. „Oh ja. Erst später beschwerte er sich über mein unmögliches Benehmen. Aber zuvor ermutigte er mich sogar dazu, den Sohn zu ersetzen, der ihm nicht vergönnt war. Wäre er nicht der jüngste von drei Brüdern, sondern der Erbe des Titels gewesen, hätte er vermutlich noch einmal geheiratet, in der Hoffnung auf einen Stammhalter.“
In ihren Sessel zurückgelehnt, ließ Beth ihre Gedanken in die Vergangenheit wandern.
„Wie du weißt, verlor ich meine Mutter sehr früh. Nur vage Erinnerungen sind mir geblieben – an den Duft ihres Parfüms, an sanfte Worte und Liebkosungen. Umso lebhafter erinnere ich mich an Papa. Er gab mir Reitunterricht und zwang mich nie, einen Damensattel zu benutzen. Den wollte er mir erst kaufen, als ich zehn Jahre alt war. Natürlich protestierte ich heftig. Und so bekam ich die Reitkleidung eines Jungen. Was er dir in Spanien erzählte, darf dich nicht täuschen, Ann. Er war unendlich stolz auf die Reitkünste seines kleinen Mädchens. Außerdem lernte ich genauso gut schießen wie er. Nur ganz selten tadelte er mich, wenn ich meiner leidgeprüften Gouvernante entwischte, um mit ihm auf die Jagd zu gehen oder zu angeln. Manchmal begleiteten uns Philip und sein Vater, und so lernten wir uns näher kennen. Jedes Jahr freute ich mich, wenn mein großer Freund in den Ferien nach Hause kam. Für mich war er gleichsam ein älterer Bruder, und ich folgte ihm auf Schritt und Tritt.“
Einige Sekunden lang starrte Beth in ihr Glas, um ihre Gedanken zu ordnen, dann lächelte sie und schüttelte den Kopf.
„Armer Junge! Wahrscheinlich fand er mich furchtbar lästig. Aber er war immer geduldig mit mir … Selbstverständlich konnte es nicht so weitergehen. Um Himmels willen, die Enkelin eines Earls rannte in Breeches herum!“ In gespieltem Entsetzen hob sie die Brauen. „Das durfte man nicht länger dulden. Tante Henrietta hielt ihrem Bruder sämtliche Fehler vor, die meine Erziehung betrafen, und ihm blieb keine andere Wahl, als ihren Rat zu befolgen und mich nach Bath in ein Internat für junge
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