Historical Saison Band 08
Briefen, die sie mir seither schrieb, entnahm ich nicht die geringste Herzenswärme.“
Nachdenklich musterte Ann die schlanke Gestalt am Fenster. „Bist du ihr immer noch böse?“
Beth sah wieder hinaus in den vernachlässigten Garten. „Meiner Tante nicht. Vielleicht Philip. Ein bisschen … Hoffentlich habe ich es ihm nicht gezeigt.“
„Nun, mir ist nichts dergleichen aufgefallen.“
„Sehr gut. Am Freitag sind wir nämlich zum Dinner in Stavely Court eingeladen. Und es wäre sehr unhöflich, würde ich dem Gastgeber mit einer feindseligen Miene begegnen, nicht wahr? Außerdem möchte ich meine kindischen Ressentiments endgültig begraben.“
Darauf antwortete Ann nicht. Stattdessen widmete sie sich wieder ihrer Handarbeit, die Stirn gedankenvoll gerunzelt.
Als Philip den Salon betrat, sah er seine Schwester vor dem Kamin sitzen, mit einer Stickerei beschäftigt.
„Ah, fleißig wie immer.“ Er ging zu dem Tisch, auf dem die frisch aufgefüllten Karaffen standen. „Kann ich dich vor dem Lunch zu einem Glas Madeira verleiten, Connie?“
„Oh ja, mein lieber Bruder. Nach dieser endlos langen Näherei fühle ich mich ziemlich ermattet und kann eine kleine Stärkung gebrauchen.“
Seine Schwester neigte keineswegs dazu, sich übermäßigen Anstrengungen auszusetzen. Aber um seinem Ruf eines untadeligen Gentlemans zu entsprechen, verzichtete Philip auf einen Kommentar und entschuldigte sich, weil er sie den ganzen Vormittag allein gelassen hatte.
Erleichtert legte sie die Stickerei beiseite und nahm das Glas Madeira, das er ihr reichte. „Nun?“, erkundigte sie sich, als er ihr gegenüber Platz nahm. „Hat Bethany sich sehr verändert?“
Eine Zeit lang schwieg er, betrachtete den Inhalt seines Glases und beschwor das Fantasiebild klarer blauer Augen in einem fein gezeichneten Gesicht herauf. „In gewisser Weise, und nicht nur äußerlich. Sie legt eine kühle Reserviertheit an den Tag, die man für Arroganz halten könnte.“
Obwohl Lady Chalford nicht gerade für ihre Einfühlungsgabe bekannt war, spürte sie, dass irgendetwas ihren Bruder beunruhigte. „Heißt das – sie hat sich nicht gefreut, dich wiederzusehen?“
„So weit würde ich nicht gehen.“ Philip schüttelte den Kopf. „Vielleicht habe ich es mir nur eingebildet. Immerhin ist Beth jetzt eine erwachsene Frau, nicht mehr das lebhafte Mädchen, das für mich geschwärmt hat. Und nach allem, was in den letzten Jahren auf sie eingestürmt ist, musste sie sich natürlich verändern.“
Ihre Ladyschaft seufzte. „Falls sie Schwierigkeiten hatte, sollte sie ihrem verstorbenen Vater die Schuld geben. Was mag ihn bloß bewogen haben, Beth nach Spanien reisen zu lassen? In der Obhut seiner Schwester wäre sie besser aufgehoben gewesen. Nur zu gern hätte Lady Barfield während einer Londoner Saison ihre Nichte als Anstandsdame behütet, und für Bethanys Debüt wäre der Zeitpunkt ideal gewesen. Selbstverständlich erst nach deiner offiziellen Verlobung.“ Wie üblich, wenn dieses Thema zur Sprache kam, beobachtete sie ihren Bruder. Doch sie wartete vergeblich auf eine Reaktion. „Wäre sie in England geblieben, hätte sie längst heiraten können …“ Plötzlich ging ihr ein neuer Gedanke durch den Sinn. „Oder ist sie schon verheiratet?“
„Nein“, antwortete Philip nach einer längeren Pause. Seine Stirnfalten vertieften sich. „Und das überrascht mich, denn sie ist eine sehr hübsche junge Frau. Was mich allerdings noch mehr verwundert – warum ist sie ihrem Vater nach Spanien gefolgt? Wie ihre Gesellschafterin verriet, hat Augustus Ashworth seine Tochter nicht veranlasst, ihn aufzusuchen …“ Er zuckte die Achseln. „Nun, irgendwann werden wir die Wahrheit herausfinden – möglicherweise schon an diesem Freitag, denn ich habe Beth und ihre charmante Gesellschafterin zu unserer kleinen Dinnerparty eingeladen.“
Bei den nächsten Worten warf er seiner Schwester einen bedeutsamen Blick zu.
„Nimm dich in Acht, Connie. Wenn mich nicht alles täuscht, sieht Beth in dieser Frau viel mehr als eine Gesellschafterin. Gewiss, du bist viel zu höflich, um einen Gast in Verlegenheit zu bringen. Aber leider kannst du deine Zunge nicht immer hüten.“
Obwohl sie pikiert die Augen verdrehte, beklagte seine Schwester sich nicht. „Da ich einen Mann von Bathursts Kaliber willkommen heißen muss, bin ich auch imstande, einer bezahlten Gesellschafterin freundlich zu begegnen“, versicherte sie stattdessen. In ihren grauen
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