Historical Saison Band 09
kontrollieren? Und dann war sie sogar so weit gegangen, sein Verlangen für sie auszunutzen, um ihn zu verletzen?
Wut, Enttäuschung und Demütigung erfüllten ihn. Wie konnte sie? Wie wagte sie es? Für wen hielt sie sich eigentlich? „Es ist nicht klug, mit mir zu spielen, Esme.“
Sie betrachtete ihn mit leicht zur Seite geneigtem Kopf. „Es ist schmerzlich, benutzt zu werden, nicht wahr? Und doch scheinen Sie zu meinen, es sei völlig in Ordnung, mit den Gefühlen einer Frau zu spielen.“
„Ich spiele nicht mit Frauen und benutze sie auch nicht, wie Sie anzudeuten scheinen.“ Wenn sie Abstand zwischen ihnen haben wollte, sollte ihm das nur recht sein! „Ich befriedige nur meine natürlichen Triebe, genau wie die Frauen, die sich von mir verführen lassen. Alles basiert auf Gegenseitigkeit, und es bestehen keine Verpflichtungen. Niemals würde ich, im Gegensatz zu manch anderen, Leidenschaft vortäuschen, um zu beweisen, dass ich recht habe!“
Und damit hob er seine Jacke vom Boden auf, riss die Tür auf und schlug sie mit einem ohrenbetäubenden Knall wieder hinter sich zu.
Stunden, nachdem MacLachlann gegangen war, lag Esme immer noch wach und ruhelos im Bett. Sie hatte nur versucht, ihn zurechtzuweisen, und zwar mit einer Methode, die er selbst gern benutzte. Doch dann war alles plötzlich zu weit gegangen, viel zu weit. Obwohl sie gute Gründe dafür gehabt hatte, war seine Empörung gerechtfertigt.
Allerdings musste sie jetzt nicht an seine Empörung denken. Vielmehr machte ihr der Schmerz zu schaffen, den sie in seinen Augen gelesen zu haben glaubte. Sie hatte ihn zutiefst verletzt, und das bewies ihr, dass er nicht lediglich versucht hatte, sie zu kontrollieren. Vielleicht hielt er sie wirklich für schön und wollte sie wirklich haben. Und jetzt hatte sie diese Gefühle ins Lächerliche gezogen. Natürlich hatte er sie oft genug verspottet und aufgezogen, aber doch nicht so sehr, wie sie ihn jetzt verletzt hatte.
Was würde er nun tun? Würde er bleiben oder nach London zurückkehren wollen?
Wenn er blieb, was er würde er dann zu ihr sagen? Und wenn er abreiste, was sollte sie dann tun?
Sie drehte sich auf die Seite. Auf keinen Fall hätte sie ihn küssen dürfen, um ihn zu demütigen. Warum war ihr so etwas nur in den Sinn gekommen? Bei keinem anderen Mann hätte sie so etwas getan. Aber MacLachlann war eben nicht wie andere Männer. Er war wild und kultiviert zugleich, klug und vulgär, unglaublich männlich und doch mitfühlend.
Die Tür wurde langsam geöffnet. Esme hielt den Atem an.
Doch es war nicht MacLachlann.
Das Gesicht rußgeschwärzt, einen Kohleneimer und eine Bürste in einer Hand, erschien das Dienstmädchen an der Tür und knickste zaghaft, als es bemerkte, dass Esme wach war. „Tut … tut mir leid, Mylady! Ich w…wollte Sie nicht wecken“, stotterte sie. „Ich komme später wieder.“
Esme blickte rasch zu den leicht geöffneten Vorhängen, durch die die ersten Strahlen der Morgensonne drangen, und setzte sich auf.
„Nein, das macht nichts. Komm ruhig herein“, sagte sie, erhob sich und läutete nach ihrer Zofe, damit sie ihr beim Ankleiden und Frisieren half.
Später, nachdem sie allein und nur in Gegenwart eines Lakaien und des Butlers gefrühstückt hatte, ging Esme ins Boudoir der Countess. Auf dem Weg dorthin nahm sie die Zeitungen Edinburghs zur Hand sowie mehrere Einladungen aus der Gegend, die auf dem Tisch in der Halle lagen. Wie es aussah, warteten noch mehr Abendgesellschaften und Bälle auf sie. Der Earl of Dubhagen und seine Frau erfreuten sich offenbar bereits großer Beliebtheit, doch ob es so war, weil die Leute neugierig waren oder weil MacLachlann so gut aussah und so charmant war, konnte Esme nicht sagen.
Was die Zeitungen anging, würde die echte Lady Dubhagen sie wahrscheinlich nicht lesen wollen, aber irgendetwas musste sie tun, bis MacLachlann zurückkam.
Falls er zurückkam.
Das Boudoir war bedrückend feminin und voller Hinweise auf ein Leben, das Esme nie kennengelernt hatte und auch nie kennenlernen wollte. Ein Nähkörbchen stand in einer Ecke, und eine Stickarbeit lugte hervor. Zierliche Porzellanfigürchen schmückten eine hübsche Vitrine, und einige der Aquarelle an der Wand waren eindeutig die Versuche eines Hobbykünstlers. Ein Spinett und eine Harfe standen in einer anderen Ecke, und ein Säulentisch nahm die Mitte des Raums ein, umgeben von bequemen Sofas und Stühlen.
Ein solches Leben – angefüllt mit kleinen
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