Historical Saison Band 09
höre sie wieder die Stimme des Mannes aus ihrem Traum. Ihre Gedanken überschlugen sich. Dann kam sie zu dem Schluss, dass sie Belfont unbewusst zu ihrem Helden gemacht hatte, weil er so freundlich gewesen war, ihr ein Zuhause zu bieten.
Fasziniert beobachtete James, wie Sophies Augen nacheinander die unterschiedlichsten Gefühle widerspiegelten. Nie hatte er ausdrucksvollere Augen gesehen! Wenn er doch nur herausfinden könnte, was in ihr vorging! „Niemals“, erklärte er ernst, „würde ich jemanden bezahlen, damit er Sie zur Braut nimmt. Sie sollen sich Ihren Gatten selbst wählen.“
Ihre Knie wurden weich, denn während sie ihm zuhörte, war ihr klar geworden, dass es auf der ganzen Welt nur einen Mann gab, den sie heiraten wollte. Ihn! O Gott, das durfte er natürlich niemals erfahren.
Nach einer kurzen Pause fragte Belfont: „Reiten Sie?“
Sie nickte.
„Und besitzen Sie ein Reitkostüm?“
„Ja, Harriet hat darauf bestanden, mir eins zu kaufen.“
„Gut. Das Frühlingswetter lädt zu einem Ausritt in den Hyde Park ein. Treffen wir uns in zwanzig Minuten vor dem Haus.“
Sophies Herz machte einen Sprung. „In zwanzig Minuten“, stimmte sie ohne zu zögern zu.
Tatsächlich war sie bereits nach fünfzehn Minuten fertig. Voller Vorfreude trat sie aus der Tür. James wartete bereits auf sie. Lächelnd schwang er sich in den Sattel seines großen schwarzen Hengstes, während einer der Stallburschen Sophie behilflich war, auf eine zierliche Stute zu steigen. Gleich darauf waren sie unterwegs zum Hyde Park.
Eine Fülle an Erinnerungen stürmte auf Sophie ein. Es war lange her, dass sie geritten war. Damals hatte sie mit ihren Eltern in Wien gelebt. Bei der Abreise hatten sie die Reitpferde zurücklassen müssen. „Wir gehen nur für ein paar Wochen fort“, hatte ihre Mutter gesagt. Doch schon bald war Sophie klar geworden, dass sie nie zurückkehren würden.
„Sie sind sehr still“, bemerkte Belfont, als sie den Park erreichten.
Wie viele Arten von Grün es hier gab! Da waren die Wiesen, die kleinen Blätter der Büsche sowie die größeren der alten Bäume, und jede Pflanze schien ihren eigenen besonderen Grün-Ton zu besitzen. Bunte Blüten und Schmetterlinge bildeten Farbtupfer, und am blauen Himmel schwebten Vögel.
Sophie konnte sich nicht sattsehen an dieser frühlingshaften Pracht! Sie warf dem Duke einen kurzen Blick zu. „Ich genieße unseren Ausritt.“
Das tue ich auch, dachte er und musterte erneut Sophies stolze Gestalt. Wahrhaftig, er war froh, dass sie ihn begleitete!
„Guten Morgen, Euer Gnaden!“, rief in diesem Moment eine Frau.
Verflucht, das war Ellen.
Ohne zu zögern, lenkte sie ihr Pferd zu James hin. An ihrer Seite ritt niemand anders als Alfred. Man begrüßte einander höflich. Dann richtete Ellen ihren abschätzenden Blick auf Sophie. „Das also ist das Mädchen?“
„Lady Colway“, meinte Belfont förmlich, „darf ich Sie mit meiner Cousine Miss Sophie Langford bekannt machen?“
Ein Lächeln, das Sophie gar nicht gefiel, huschte über das Gesicht der Dame. „Bringen Sie Miss Langford doch am Mittwoch mit zu meinem kleinen Fest, James.“
Sie spricht ihn mit dem Vornamen an, dachte Sophie, und ein seltsamer Schmerz durchzuckte sie.
„Am Mittwoch habe ich leider schon andere Verpflichtungen“, erklärte Belfont kühl. „Auf Wiedersehen, Lady Colway. Alfred!“
„Haben Sie etwa Angst, ich könnte ein paar Geheimnisse ausplaudern?“, rief Ellen ihm nach.
Er erwiderte nichts darauf, doch Sophie ahnte auch so, worum es ging. Vermutlich hatte er eine Affäre mit der Dame. Nun, er war vierunddreißig Jahre alt, und niemand konnte von ihm erwarten, dass er wie ein Mönch lebte. Trotzdem kam es Sophie so vor, als habe der Glanz der Sonne nachgelassen und als seien die bunten Blüten der Frühlingsblumen plötzlich verblasst.
5. KAPITEL
A nfang Juni trafen der preußische König sowie Zar Alexander, Graf Metternich aus Österreich, Marschall Blücher und weitere berühmte Männer in London ein, um an den dreiwöchigen Festlichkeiten zur Feier des Sieges über Napoleon teilzunehmen. Da Wellington sich noch in Frankreich aufhielt, jubelte das Volk vor allem Blücher zu, dem es gelungen war, Paris einzunehmen.
Der Prinzregent, der gern selbst vom Volk bewundert und geliebt worden wäre, reagierte empfindlich darauf. Seine Laune verschlechterte sich noch weiter, als er erfuhr, dass der Zar, statt die Einladung nach Carlton House anzunehmen, lieber im
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