Historical Saison Band 09
Wie unerträglich langweilig!
Natürlich wusste James, dass die meisten seiner Bekannten nichts an ihren langweiligen Gemahlinnen auszusetzen fanden. Denn diese sollten ihnen lediglich den Haushalt führen, Kinder gebären und bei offiziellen Anlässen lächelnd an ihrer Seite stehen. Für alles andere waren die Mätressen zuständig. Bei ihnen fanden die Gentlemen Entspannung, Unterhaltung und, sofern sie es wünschten, auch die Gelegenheit, ernsthafte Gespräche zu führen.
Das, dachte er, mag ja für die meisten eine zufriedenstellende Regelung sein, ich aber möchte alles bei einer Person finden. Die Frau, die ich einmal heirate, soll nicht nur meine Duchesse und die Mutter meiner Kinder, sondern gleichzeitig auch meine Geliebte, meine Vertraute und meine Gesprächspartnerin sein .
Doch eine solche Frau war schwer zu finden. Nicht einmal Sophie Langford wurde diesen Anforderungen gerecht. Sicher, sie war schön und amüsant, und sie sprühte vor Leben. Aber dass sie so großen Wert auf ihre Unabhängigkeit legte, mit ihrer Meinung gleich überall herausplatzte und manchmal ausgesprochen streitsüchtig zu sein schien, war äußerst beunruhigend. Irgendwie, fand James, stellte sie eine Gefahr für sich und andere dar.
Sie kam also als Braut nicht infrage. Warum aber drehten seine Gedanken sich trotzdem so oft um sie? Warum stellte er sich gelegentlich sogar vor, wie es sein würde, sie in sein Bett zu holen und sie leidenschaftlich zu lieben?
Ein Seufzen unterdrückend wünschte er seiner Schwester und Sophie eine gute Nacht. Während die beiden Damen die Treppe zu ihren Räumlichkeiten hinaufstiegen, begab er sich in sein Arbeitszimmer, wo er sich ein großes Glas Cognac eingoss und sich noch eine Zeit lang mit verschiedenen Geschäftspapieren und einem langen Brief aus der Feder seines Verwalters beschäftigte.
Nach einer Weile allerdings fiel es ihm immer schwerer, sich zu konzentrieren. Der Name Cariotti drängte sich ihm ins Bewusstsein. Erneut begann James zu überlegen, wann und wo er dem Conte wohl begegnet sein mochte. War es 1812 in Dresden gewesen, als Napoleon seinen Russland-Feldzug plante? Viele Italiener hatten sich damals in Dresden aufgehalten und mindestens ebenso viele Österreicher, denn durch seine zweite Ehefrau war Napoleon mit dem österreichischen Kaiser und dessen Gattin verwandt. Die Stadt hatte sich in einem Ausnahmezustand befunden. Es hatte unzählige prunkvolle Gesellschaften, aber auch viele Jagdausflüge in die Umgebung gegeben.
James hatte an einigen dieser Veranstaltungen teilgenommen, denn es war ihm gelungen, unter dem Namen Jack Costerman das Vertrauen einiger hoher französischer Offiziere zu gewinnen. Sein Verbindungsmann war Richard Summers gewesen. Ansonsten hatte er kaum Kontakt zu Engländern gehabt. Lord Langford und seine Tochter hatten ganz gewiss nicht zu seinen Bekannten gezählt. Die beiden hatten damals wohl schon in Neapel gelebt. Was aber war mit Cariotti? War der Mann in Dresden gewesen? Und war er wichtig?
Da er keine Antwort auf diese Frage fand, beschloss James schließlich, zu Bett zu gehen. Als er an Sophies Zimmer vorbeikam, bemerkte er wie in jener schicksalhaften Nacht einen dünnen Lichtstrahl unter ihrer Tür. Eine seltsame Sehnsucht überkam ihn. Und ehe er sich Rechenschaft über sein Tun ablegen konnte, klopfte er schon an die Tür.
„Ja?“ In einen blauen Morgenmantel aus Seide gehüllt, stand Sophie vor ihm. Das wundervolle dunkle Haar fiel ihr offen auf die Schultern. „Ist etwas nicht in Ordnung, Euer Gnaden?“
Sein Herz schlug zum Zerspringen, und er musste gegen den Wunsch ankämpfen, Sophie an sich zu ziehen und sie leidenschaftlich zu küssen. Wenn er wenigstens ihr Haar hätte berühren dürfen! Wenn … Er zwang sich zur Vernunft. „Ich dachte, Sie seien womöglich wieder eingeschlafen, ohne vorher die Kerze zu löschen.“
„Ich habe an meinem Buch gearbeitet.“
„Das verfluchte Buch! Wollen Sie Ihre Gesundheit ruinieren, indem Sie nächtelang schreiben, statt zu schlafen?“
„Ich schreibe, um meine Zukunft zu sichern!“, gab sie hitzig zurück.
„Ihre Zukunft? Was soll das? Habe ich Ihnen nicht versprochen, für Sie zu sorgen?“
„Doch. Und ich bin Ihnen sehr dankbar dafür. Aber wenn Sie eines Tages heiraten, wird Ihre Gemahlin nicht glücklich darüber sein, mich im Haus zu haben. Es sei denn, ich bliebe als eine Art Bedienstete.“
„Als Bedienstete? Sie wären als Bedienstete völlig
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