Historical Saison Band 09
einen passenden Schal herauszusuchen.
Die Zofe gehorchte, musterte Sophie noch einmal und erklärte: „Sie sehen bezaubernd aus, Miss. Die Gentlemen werden von Ihnen hingerissen sein.“
Sophie, die nicht vergessen hatte, wie heftig Belfont sie jedes Mal tadelte, wenn sie irgendwo Aufmerksamkeit erregte, hätte sich am liebsten umgezogen. Doch als sie dies Harriet gestand – die in einer Robe aus bernsteinfarbener Seide wie eine Königin aussah – erklärte diese, Sophie dürfe James auf keinen Fall beschämen, indem sie zu bescheiden auftrat.
Wenig später stiegen die beiden Damen in die Kutsche, ohne dass der Duke aufgetaucht wäre. Sophie war enttäuscht und erleichtert zugleich. „Ist Ihr Bruder verpflichtet, den ganzen Abend über an der Seite des Prinzregenten zu bleiben?“, fragte sie Harriet.
„Er wird wohl in Prinnys Loge sitzen. Aber ich denke, dass er sich in der Pause freimachen und zu uns kommen kann.“
Seltsamerweise bewirkten diese Worte, dass der sternenübersäte Himmel Sophie plötzlich sehr romantisch vorkam und dass die laue Abendluft plötzlich von süßen frühlingshaften Düften erfüllt schien.
Von Belfonts Loge aus ließ Sophie staunend den Blick über die vielen Menschen im Theater gleiten.
Jetzt ging ein Raunen durch die Menge. Der Prinzregent traf mit seinem Gefolge ein. Die Herren wirkten überaus elegant, die Damen hatten sich mit ihren wertvollsten Juwelen geschmückt. Doch Sophie hatte nur Augen für James, der einen burgunderfarbenen Frackrock und helle Kniehosen trug. In seinem kunstvoll geschlungenen Krawattentuch glitzerte eine Diamantnadel.
„Er sieht umwerfend aus“, flüsterte Sophie.
Lady Harley hob ihr Opernglas an die Augen. „Der Regent?“
„Nein, der Duke.“
„Ja, er …“ Harriet unterbrach sich. „Um Gottes willen, da kommt die Princess of Wales! Ich bin gespannt, was jetzt geschieht. An einem öffentlichen Ort wie diesem kann Prinny seine Gattin nicht einfach ignorieren.“
Tatsächlich meisterte der Regent die unangenehme Situation mit Würde. Er verbeugte sich in Richtung seiner Gemahlin, die keine Anstalten machte, ihn in seiner Loge aufzusuchen, und widmete sich dann, als das Stück begann, ganz dem Geschehen auf der Bühne.
Sophie hingegen konnte sich nicht recht auf die Aufführung konzentrieren. Immer wieder wanderte ihr Blick zu James. Und in der Erinnerung spürte sie noch einmal die Erregung, die sie erfüllt hatte, als er sie küsste. Sehnsüchtig wartete sie darauf, dass er zu ihr hinschauen und ihr ein Lächeln schenken würde.
Doch stattdessen lächelte er Lady Colway zu, der es irgendwie gelungen war, sich einen Platz in derselben Loge wie er zu beschaffen.
Sophie musste ein paar Tränen fortzwinkern. Wahrhaftig, James war – genau wie Alfred Jessop gesagt hatte – ein gewissenloser Frauenheld!
Als Belfont sich in der Pause zu ihr und Harriet gesellte, empfand sie noch immer Zorn und Enttäuschung. Er zog einen Stuhl heran, um zwischen den beiden Damen Platz zu nehmen.
Und plötzlich schlug Sophies Herz zum Zerspringen. Wie nah er ihr war! Seine muskulösen Schenkel berührten beinahe die ihren. Ihre Hände begannen zu zittern, und rasch versteckte sie sie zwischen den Falten ihres weit geschnittenen Rocks.
In eben diesem Moment entdeckte sie in einer der gegenüberliegenden Logen jemanden, den sie hier nie erwartet hätte: den Conte Cariotti. Hatte er sie ebenfalls bemerkt? Wie sollte sie reagieren, wenn er sie ansprach?
„Und wie denken Sie darüber, Miss Langford?“ Die Stimme des Dukes riss sie aus ihren Gedanken.
„Verzeihung, ich war unaufmerksam.“
„Dann interessiert es Sie wohl nicht, was ich zu sagen habe?“
Sie errötete. Sein Ton ließ keinen Zweifel daran, dass sie schon wieder sein Missfallen erregt hatte. Ständig war er mit ihr unzufrieden. Gewiss hatte er sie nicht geküsst, weil er ihr zärtliche Gefühle entgegenbrachte, sondern einfach, um ihr zu beweisen, dass er sich alles erlauben konnte. Wahrhaftig, manchmal erinnerte sein Benehmen sie an den Conte! Trotzdem zog sie Belfonts Gesellschaft der Cariottis bei Weitem vor. Hoffentlich, dachte sie und schickte ein stilles Gebet zum Himmel, hoffentlich bemerkt der Conte mich nicht!
6. KAPITEL
S ophie war schon den ganzen Tag über schrecklich nervös gewesen. Sie hatte weder den Spaziergang im süß nach Blumen duftenden Garten noch den Gesang der Vögel genießen können. Selbst das Essen war ihr schwergefallen, dabei hatte die Köchin
Weitere Kostenlose Bücher