Historical Saison Band 12
Meerwasser?“
„Es stinkt wie der Teufel.“ Er wickelte das Päckchen mit den Rasiersachen aus.
Sie reichte ihm die Seife. Ihre langen dunklen Haare fielen in weichen Wellen über ihre Schultern.
Eine Sekunde trafen sich ihre Blicke. Sie senkte den Kopf und ging wieder zu ihrem Stuhl zurück.
Er holte tief Luft und begann, sich das Gesicht einzuseifen. „Glücklicherweise hat mein Diener an dem Tag Zahnschmerzen bekommen, als wir nach Dublin aufbrechen sollten.“
„Ich wollte Sie schon fragen, ob niemand Sie begleitet hat“, sagte sie ernst.
„Nein, niemand.“ Er wandte sich vom Spiegel ab und drehte sich zu ihr.
„Ich bin froh darüber“, murmelte sie.
„Ich auch“, erwiderte er.
Er begann sich zu rasieren. „Pomroy und ich haben uns einmal zwei Wochen lang nicht rasiert. Wir waren in einem meiner Jagdhäuser, aber es hörte gar nicht mehr auf zu regnen. Es gab nichts, was wir hätten tun können, also tranken wir Unmengen Brandy und ließen uns Bärte wachsen.“
Sie schmunzelte. „Ein sportlicher Zeitvertreib.“
„Wir wetteten darum, wem in den zwei Wochen der längere Bart wächst.“ Er lachte. „Ich habe gewonnen.“
„Und wer war damit betraut, das zu messen?“
„Unsere armen Diener.“ Er wirbelte einen Finger herum. „Pomroys Kammerdiener maß meinen Bart und meiner den von Pomroy.“
Er fuhr sich mit dem Rasiermesser an den Wangen entlang, bis er kaum mehr Seife im Gesicht hatte. Dann wusch er sich das Gesicht mit klarem Wasser und trocknete es ab.
Er präsentierte sich ihr. „Wie habe ich das gemacht?“
Zu seiner Überraschung stand sie auf, um ihm über die rechte Wange zu streichen. „Das haben Sie gut gemacht“, murmelte sie.
Der Körperteil, der sich im kalten Bad zurückgezogen hatte, übte nun keinerlei Zurückhaltung mehr. Tanner beugte sich näher zu ihr vor, so nah, dass er die hellen und dunklen blauen Linien in ihren Augen erkennen konnte. Sie hielt inne, ohne die Finger von seiner Wange zu nehmen.
Er wollte ihren Namen in den schwindenden Raum zwischen ihnen hauchen, aber er kannte ihn nicht.
Jemand klopfte laut an der Tür.
„Zum Teufel“, fluchte er leise.
Er ging zur Tür. „Wer ist da?“
„Mrs Gwynne, Sir. Wenn Sie Ihr Bad beendet haben, holen wir den Zuber.“
„Kommen Sie nur herein.“ Er öffnete die Tür.
Während die Mädchen den Zuber mit Wassereimern leerten und Mr Gwynne erschien, um ihn aus dem Zimmer zu tragen, blieb die Wirtin die ganze Zeit freundlich plaudernd bei ihnen.
„Möchten Sie unten essen, oder sollen wir Ihnen eine Mahlzeit nach oben bringen?“, erkundigte sie sich.
„Wir machen es so, wie meine Frau es sich wünscht.“ Tanner drehte sich zu Miss Brown um.
Wie meine Frau es sich wünscht, wiederholte Marlena still seine Worte, und ihr Herz pochte bei dem Gedanken, wie seine tiefe Stimme bei dem Wort Frau geklungen hatte. Er sprach das Wort so vertraut aus, als hätte er sie tatsächlich eben geküsst. Vor Aufregung spürte sie ein Prickeln am ganzen Körper.
„Ich würde lieber hier essen“, erklärte sie.
Sie wollte den Zauber nicht brechen, diese Nähe, die beinahe zu einem Kuss geführt hatte.
„Da haben wir unseren Befehl, Mrs Gwynne.“ Tanner zwinkerte der Wirtin freundlich zu.
„Wir sind gleich wieder zurück“, versprach die Frau.
Marlena gefiel Tanners spöttische und zugleich liebenswürdige Art. Weder Eliza noch ihr war vor all den Jahren klar gewesen, wie viel Humor er besaß. Das hätte sie gewiss zu noch mehr Seufzern veranlasst. Wie es sich wohl angefühlt hätte, wenn er mich tatsächlich geküsst hätte? Ihr letzter Kuss war so lange her. Corlands Leidenschaft für sie, von Anfang an alles andere als feurig, hatte sich bereits nach dem ersten Ehejahr abgekühlt, als ihr Geld zur Neige ging und seine Schulden immer weiter stiegen. Längst war sie hinter seine vielen Seitensprünge gekommen: Schauspielerinnen, Balletttänzerinnen, ihre eigenen Hausmädchen. Sie dachte an Corlands letzten Anblick. Mit gebrochenen Augen hatte er im Bett auf dem Rücken gelegen, nackt und blutüberströmt.
Sie fröstelte und schaute zu Tanner, der so wunderbar lebendig und männlich wirkte, sogar wenn er sich wie jetzt auf einem Stuhl rekelte.
Seine Miene wurde ernst. „Was ist los?“
Sie blinzelte. „Was meinen Sie?“
Er wies in ihre Richtung. „Sie haben an etwas gedacht. Vermutlich an etwas sehr Verstörendes.“
Sie schaute zur Seite. „Nein, ganz sicher nicht.“
Als sie ihn
Weitere Kostenlose Bücher