Historical Saison Band 12
sein Gesicht.
Seine Hände lagen um ihre Taille, bereit, ihr hinunterzuhelfen, doch er verharrte reglos. Unvermittelt umfasste er sie fester, seine Augen verdunkelten sich, und er lächelte nicht mehr. Sein Blick ruhte auf ihrem Mund. Lexi stockte vor Aufregung der Atem.
„Richard?“, fragte sie unsicher.
Und ganz plötzlich war der Zauber vorbei. Er sagte leise etwas, das sie nicht verstand, nahm seine Hände von ihr und schüttelte den Kopf. Nach einem Augenblick meinte er gleichmütig: „Das kann ich wirklich nicht sagen. Du besitzt so viele davon!“
Seine Reaktion enttäuschte sie, und es drängte sie danach, an seiner Gelassenheit zu rütteln. „Weißt du, einen kurzen Augenblick lang habe ich geglaubt, du wolltest mich küssen. Wolltest du das?“
„Natürlich nicht“, erwiderte er. „Welch absurder Gedanke! Du bist immer noch ein Kind, Alexandra.“
Gekränkt erwiderte sie: „Ich bin sechzehn und gar nicht so viel jünger als du! Früher hat dir der Altersunterschied nie etwas ausgemacht.“
„Damals war es ja auch anders, da waren wir alle noch Kinder“, sagte er brüsk.
„Aber … Warum willst du mich nicht küssen? Bin ich dir nicht hübsch genug?“
„Du bist nicht alt genug, Alexandra! Wärst du nicht ein solcher Kindskopf, würdest du nicht solche Fragen stellen. Und wenn du nicht willst, dass ich dich hier stehen lasse, dann beenden wir dieses dumme Gespräch jetzt.“
Lexi sah ihm an, dass er es ernst meinte. „Nun gut“, willigte sie ein und warf ihm einen herausfordernden Seitenblick zu. „Aber ich denke immer noch, dass du mich küssen wolltest. Vermutlich muss ich einfach warten, bis ich älter bin.“
Nur widerwillig schienen ihm seine nächsten Worte über die Lippen zu kommen. „Wahrscheinlich wirst du mich dann nicht mehr küssen wollen.“
„Oh, doch, das will ich“, erwiderte sie zuversichtlich. „Du bist der Richtige für mich, Richard Deverell. Wir gehören zusammen.“
Den restlichen Sommer über verhielt sich Richard ihr gegenüber so liebenswert wie zuvor, doch er blieb distanziert, zeigte ihr nie durch Blicke oder Taten, dass er mehr in ihr sah als eine gute Freundin, die kleine Schwester seines besten Freundes. Aber Lexi lag des Nachts lange wach und stellte sich den Kuss vor, den er ihr verweigert hatte, malte sich die Zukunft mit ihm aus, und obwohl das Thema nie wieder zur Sprache kam, war sie von ganzem Herzen überzeugt, dass sie zusammengehörten.
Aufmerksam beobachtete sie ihn und stellte glücklich fest, dass er keiner anderen jungen Dame den Hof zu machen schien. Einstweilen musste sie sich also nicht sorgen, eine Rivalin zu haben, und sie hoffte inständig, dass ihr Warten auf ihn bereits im nächsten Jahr ein Ende finden würde. Letzten Endes wurde Richard ihr aber von einem mächtigeren Rivalen fortgenommen, denn im Herbst verkündeten er und Johnny, dass sie der Armee beigetreten seien.
Vielleicht war sie wirklich noch ein Kind, wie Richard behauptet hatte, indes zweifelte Lexi nie daran, dass die beiden unversehrt zurückkehren würden. Und obwohl sie Richard und Johnny vermisste, war sie entschlossen, ihre Abwesenheit gut zu nutzen. Bisher hatte sie die Dinge, die man von der Tochter eines wohlhabenden Gutsherrn erwartete – die Fähigkeit sich stilvoll zu kleiden, anmutig zu tanzen, zu singen, musizieren und zu zeichnen –, als Zeitverschwendung erachtet. Aber nun wandte sie beträchtliche Energie auf, um sich diese Fähigkeiten anzueignen. Sie wollte Richard überraschen, wollte, dass er aus dem Staunen über ihre Veränderung nicht mehr herauskam. Sie wollte, dass er sie unwiderstehlich fand.
Einige Monate bevor die beiden nach London zurückkehren sollten, erinnerte sich Lexis Patin Lady Wroxford etwas verspätet an ihr Versprechen, ihr Patenkind in die feine Gesellschaft einzuführen. Inzwischen hatte Lexi gelernt, ihr Temperament zu zügeln, und besaß die Anmut einer Dame. Zwar entsprach sie nicht dem gängigen Schönheitsideal, aber ihre üppigen roten Haare und die funkelnden veilchenblauen Augen ließen sie aus der Menge hervorstechen. Zudem sorgten ihre offene, unverblümte Art, ihr Verstand und ihr Humor dafür, dass sie stets von einer Schar Bewunderer umringt war. Noch vor Ende der Saison hatte sie mehrere Heiratsanträge erhalten.
Doch sie wies alle Gentlemen ab. Lady Wroxford echauffierte sich darüber und beschuldigte sie, zu wählerisch zu sein. Mit gesenktem Kopf ließ Lexi die Strafpredigt über sich ergehen,
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