Historical Saison Band 12
schockiert sein. Papas Tod …“
„Sie werden sich auch wieder beruhigen. Dein Vater hätte gewollt, dass für dich gesorgt ist. Unter anderen Umständen wären wir schon längst vermählt – das wissen wir doch beide. Und nun brauchst du mehr denn je jemanden, der sich um dich kümmert, dich glücklich macht und für dein Wohl sorgt. Die Hochzeit könnte schon in wenigen Wochen stattfinden, wenn du einverstanden bist – natürlich in aller Stille. Macht dir das etwas aus?“
„Mir? Oh nein.“
„Dann nimmst du meinen Antrag also an. Du wirst es nicht bereuen, das schwöre ich dir.“
„Bereuen? Wieso sollte ich eine Ehe mit dir bereuen, Richard? Das wünsche ich mir doch schon mein ganzes Leben lang!“
Die Papiere an sich nehmend war er wenig später gegangen, und sie hatte sich trotz ihres Kummers glücklich gefühlt. Richard hatte ihr einen Antrag gemacht, und sie war sich sicher gewesen, dass er sie ebenso sehr liebte wie sie ihn …
Lexi vergrub das Gesicht im Kissen. Wie leichtgläubig und dumm sie doch gewesen war. Natürlich liebte Richard sie nicht in der Weise wie sie ihn. Vielleicht hatte er sie tatsächlich nur aus Mitleid geheiratet, wie seine Tante behauptet hatte, oder aus Schuldgefühlen, weil ihn das schlechte Gewissen plagte. Aber eines war sicher: Geliebt hatte er sie nie.
Es überraschte sie, wie heftig sie diese Erkenntnis schmerzte, trotz allem, was geschehen war. Doch sie wollte sich auch keine Illusionen mehr machen. Aus blinder Liebe hatte sie sich ein Bild von Richard gemacht, das der Wahrheit nicht mehr entsprach. Ganz offensichtlich hatte sie ihn nie richtig gekannt. Sie war mit einem Fremden verheiratet, lebte gefangen in einem Albtraum …
Diese Vorstellung war kaum zu ertragen. Sie schloss die Augen, flüchtete vor der grausamen Gegenwart und suchte Trost in der Vergangenheit – einer Zeit, in der Richard ihr noch nicht fremd gewesen war und ihr Herz erobert hatte …
Richard und Johnny waren miteinander befreundet gewesen, schon bevor Lexi das Licht der Welt erblickt hatte. Trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere – Johnny war von lebhaftem Wesen, Richard dagegen in sich gekehrt – hatten sie sich stets gut verstanden. Lexi erinnerte sich noch gut an die schönen Sommertage, an denen sie den beiden Jungs dabei zugesehen hatte, wie sie Kaulquappen im See fingen oder angelten. Sie war ihnen überallhin gefolgt, war in Bäche gefallen, bis zu den Knien im Schlamm versunken und über Steine gestolpert. Nie aber hatte sie sich beschwert, außer, wenn die beiden ohne sie losziehen wollten.
Im Laufe der Jahre hatten sie sich daran gewöhnt, dass ihr kupferroter Schopf überall da auftauchte, wo sie waren, und sorgten sogar dafür, dass sie keine allzu schweren Stürze oder Schrammen davontrug. Dafür belohnte sie die Jungen mit grenzenloser Treue und Bewunderung. Sie waren praktisch unzertrennlich gewesen, ritten gemeinsam aus, kletterten auf Bäume, trugen Kämpfe gegeneinander aus und lachten miteinander. Damals hatten sie viel Zeit am See und in den Wäldern verbracht, die Rawdon umgaben.
In ihrer Kindheit war noch alles einfach gewesen. Doch das idyllische Leben konnte natürlich nicht für immer so weitergehen, obgleich sie das zu jener Zeit gedacht hatte. Sie wurden älter, und das brachte natürlich auch Veränderungen mit sich. Die größte dieser Veränderungen bekam Lexi im Jahr 1810 zu spüren. Johnny und Richard hatten die Saison in London verbracht. Als sie als schneidige junge Gentlemen nach Somerset zurückkehrten, fanden sie plötzlich keine Zeit mehr für die gewohnten Vergnügungen aus Kindertagen. Die sechs Jahre Altersunterschied taten sich unvermittelt wie ein Abgrund zwischen ihnen auf, den Lexi weder mit bittenden Worten noch mit Wutausbrüchen überbrücken konnte. Sie war gezwungen, aus der Ferne zu beobachten, wie Richard und Johnny die jungen Damen aus der Nachbarschaft hofierten, sie zu Ausritten einluden oder sich mit ihnen auf Picknicks und Bällen trafen, die von hoffnungsvollen Müttern ausgerichtet wurden. In diesen Tagen fühlte sich Lexi sehr einsam und verloren. Ihr war zumute, als hätte man ihr ein Stück ihres Herzens herausgerissen. Doch mit der Zeit bemerkte sie, dass die Bemühungen der jungen Damen, sich zwei der besten Partien der Grafschaft zu angeln, kaum von Erfolg gekrönt waren.
Johnny tändelte mit vielen, aber mit keiner war es ihm ernst. Und obwohl Richard sich immer höflich zeigte, mit der einen tanzte, der
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