Historical Saison Band 12
ohne etwas darauf zu erwidern. Was sollte sie auch sagen? Sie konnte ihrer freundlichen Patin doch nicht eingestehen, dass sie darauf wartete, den Mann ihres Herzens wiederzusehen. Dass sie niemals auch nur einen anderen als ihn in Erwägung ziehen würde.
Im Mai 1814 kehrten Richard und Johnny endlich wieder nach England zurück und wenige, viel zu kurze Monate lang war Lexi die Zukunft in strahlendem Licht erschienen.
Die Tür öffnete sich, und Lexi kehrte abrupt wieder in die Gegenwart zurück. Sie hörte, wie jemand das Zimmer betrat. Vermutlich Murdie, dachte sie, die Lady Honorias Platz einnehmen soll.
„Alexandra?“
Nein, es war nicht Murdie, sondern Richard. Kein anderer sprach ihren Namen in dieser besonderen Art aus. Obwohl sie die Augen geschlossen hielt, spürte sie, wie der Blick seiner grauen Augen über sie schweifte, sie musterte … Heftig hämmerte ihr Herz in der Brust, doch sie blieb reglos liegen, gab vor, fest zu schlafen.
„Alexandra, sieh mich an. Wir müssen reden.“
Warum bezauberte sie seine Stimme immer noch? Die Versuchung, seine Bitte zu erfüllen, war beinahe unwiderstehlich, aber sie durfte diesem Verlangen nicht nachgeben. Warum ging er nicht einfach?
„Hat meine Tante dich wieder aufgeregt? Sie ist alt, Alexandra. Sie versteht nicht …“ Seine Stimme hatte einen ironischen Klang, als er fortfuhr: „Nun, ich verstehe dein Verhalten ja selbst nicht, aber ich bin nicht so aufgebracht darüber wie sie. Lass dich von ihr nicht aus der Fassung bringen. Vielleicht fühlst du dich sogar besser, wenn wir erst geredet haben. Früher oder später müssen wir die Risse unserer Beziehung wieder kitten.“
Die Risse kitten? Dazu wäre ein Wunder nötig! Für Lexi war ihre Beziehung ein einziger Scherbenhaufen, den man nicht mehr zusammensetzen konnte. Ohne die Augen zu öffnen, wandte sie den Kopf ab.
Richard wartete einen Augenblick. Er wusste, dass Alexandra nicht schlief. Doch obwohl ein klärendes Gespräch dringend nötig war, fiel es ihm schwer, sie dazu zu zwingen, bevor sie selbst dazu bereit war. Die Ereignisse der letzten Monate hatten sie an den Rand eines Zusammenbruchs gebracht. Die dunklen Schatten unter ihren Augen und die bleichen Wangen zeigten ihm, wie nötig sie Ruhe und Erholung brauchte.
Vielleicht würde es helfen, von glücklicheren Zeiten zu sprechen … Er setzte sich zu ihr ans Bett und dachte an den Mai des Jahres 1814 zurück. „Alexandra, weißt du noch, wie wir in London getanzt haben? Johnny und ich waren erst einen Tag zuvor aus Frankreich zurückgekehrt. Napoleon hatte man verbannt, und ganz London feierte.“
Er hielt inne, doch Alexandra war nicht anzumerken, ob sie ihm zuhörte. Er fuhr fort: „Ich sah dich zuerst bei dem Ball in Northumberland House, das weiß ich noch. Wir waren dorthin gegangen, in der Hoffnung, dich zu treffen.“
Richard schwieg. Der Abend war ihm lebhaft ins Gedächtnis eingebrannt. Alexandra war der umschwärmte Mittelpunkt der Gesellschaft gewesen. Er hatte sie gleich bei seinem Eintreten in den Ballsaal entdeckt und verwundert festgestellt, dass sich das nachlässig gekleidete Kind von einst in eine strahlende, anmutige junge Dame verwandelt hatte, die sich ihrer Anziehung wohlbewusst war.
Doch ihr bezauberndes Lächeln glich immer noch dem des ungestümen Mädchens, das vor fast vier ereignisreichen Jahren auf dem Zaunübertritt gestanden und ihn in Versuchung geführt hatte, sie zu küssen. Noch immer glaubte er den Duft ihres Haares wahrzunehmen, das seine Wange gestreift hatte, immer noch verspürte er bei ihrem Anblick die Gefühle, die in ihm damals erwacht waren …
Inzwischen war Richard von Bedauern erfüllt. Ganz offensichtlich wollte Alexandra seine Anwesenheit nicht zur Kenntnis nehmen. Kühl meinte er: „Na schön. Wie ich sehe, bist du noch nicht bereit, mit mir zu reden. Aber viel Zeit gebe ich dir nicht mehr, Alexandra. Wir haben eine Vereinbarung getroffen, und ich werde dafür sorgen, dass du deinen Teil davon erfüllst. Ich komme wieder.“
3. KAPITEL
D ie Tür schloss sich. Lexi fühlte sich endlich wieder in Sicherheit. Sich den Erinnerungen hingebend, die Richard soeben in ihr wachgerufen hatte, suchte sie erneut Zuflucht in der Vergangenheit …
Damals hatten sie oft auf Bällen miteinander getanzt und gelegentlich auch Ausfahrten unternommen. Mit jedem Tag, der verging, hatte sie sich ein wenig mehr in ihn verliebt. Selbst beim Tanz in den überfüllten Sälen, wo ihnen alle Welt
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