Historical Saison Band 12
zuschaute, spürte sie eine unterschwellige Harmonie, die sie miteinander verband, ein Gefühl, das sie bei keinem anderen Mann jemals empfunden hatte. Die Gesellschaft respektierte Richard als den Erben einer alteingesessenen und wohlhabenden Familie, als verdienten Offizier und Ehrenmann. Lexi indes kannte auch den Teil seines Wesens, den er gewöhnlich hinter einer Maske aus distanzierter Höflichkeit verbarg – seinen geistreichen Humor, sein mitfühlendes, von Herzen kommendes Interesse für andere und seine Empfindsamkeit. Dafür liebte sie ihn, gab sich jedoch größte Mühe, sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen.
Eines Abends besuchten sie auf Johnnys Vorschlag gemeinsam die Vauxhall Gardens. Lady Wroxford hatte es sich in einer der Logen bequem gemacht und plauderte vergnügt mit ihren Freundinnen. Sie erhob keine Einwände, als Lexi von Richard um einen Tanz gebeten wurde. Auf dem Weg zur Tanzfläche fragte er unvermittelt, ob sie nicht mehr Gefallen an einem kleinen Spaziergang finden würde. Die Nacht war warm, die Tanzfläche überfüllt und die Versuchung, einige Minuten allein mit Richard in der idyllischen Parkanlage zu verbringen, groß. Nur allzu gern flanierte sie mit ihm über die von Lampen erleuchteten Wege. Nach einer Weile jedoch blieb er unversehens stehen.
„Habe ich dich verärgert, Alexandra?“
„Verärgert? Mich?“ Lexi sah ihn verblüfft an. „Nein, natürlich nicht. Wie kommst du darauf?“
„Du hast dich in letzter Zeit sehr verändert. Es scheint mir fast, als wärst du in meiner Gesellschaft ständig … auf der Hut. Bevor ich zum Militär ging, warst du nie so zurückhaltend mir gegenüber.“
Lexi nagte an ihrer Unterlippe. „Wir sind beide älter geworden, Richard“, erwiderte sie bedächtig.
„Aber wir sind doch gewiss noch Freunde? In Spanien habe ich nach einem harten Tag auf dem Schlachtfeld oft in den Sternenhimmel geschaut und an unsere gemeinsame Zeit in Rawdon gedacht. Allein die Bilder, die ich in diesen Nächten heraufbeschwor, haben bewirkt, dass ich meinen Verstand in diesem blutigen Krieg nicht verloren habe. Und du warst immer ein Teil dieser Bilder. Ich habe mir dein Gesicht vorgestellt, dein Lachen, habe mir ausgemalt, wie du aussiehst, wenn du die Nase beim Nachdenken kraust und wie dir die kupferroten Locken ins Gesicht fallen, weil sie sich nie so ganz bändigen lassen wollen … Dein Haar ist unvergleichlich, ebenso wie du.“
Sein Ton war so anders als sonst, dass Lexi nicht wusste, wie sie reagieren sollte. Die Freude unterdrückend, die sie ob seiner Worte empfand, erwiderte sie brüsk: „Ach, du musst mir nicht schmeicheln. In Spanien gab es sicher zahlreiche schwarzhaarige Schönheiten, die euch nur zu gern getröstet haben. Ich glaube nicht, dass du da allzu oft an deine Freunde in England gedacht hast, ganz zu schweigen an mich.“
„Ich hatte gar nicht vor, dir zu schmeicheln! Verflixt, das ist genau das, was ich meine. Dein kühles Lächeln, diese Bemerkung, mit der du mir wohl absichtlich vor den Kopf stoßen wolltest. Warum tust du das? Warum behandelst du mich so abweisend, als wäre ich bloß ein flüchtiger Bekannter? Zählt unsere jahrelange Freundschaft denn gar nicht mehr?“
„Wir sind keine Kinder mehr“, erwiderte Lexi heftig. „Vielleicht siehst du in mir immer noch nichts weiter als Johnnys kleine Schwester, aber in der Gesellschaft erweckt unsere Freundschaft einen anderen Eindruck, und ich hege nicht den Wunsch, ins Gerede zu kommen.“
„Ins Gerede?“
„Ja, Richard, ins Gerede!“, erwiderte Lexi schroff. Nun hatte sie endgültig die Geduld verloren. „So undenkbar es dir auch erscheinen mag, die Gesellschaft betrachtet mich als heiratsfähige junge Dame. Und wenn ich nicht will, dass die Klatschbasen über mich tratschen, darf ich mich nicht zu oft in der Gesellschaft eines der begehrtesten Junggesellen Londons sehen lassen, so wie ich das im Moment tue. Und da ich gewiss keine Gerüchte hervorrufen will, sollten wir jetzt wohl besser zu meiner Patin zurückkehren. Sie wird sich sicher schon wundern, wo ich bin.“
Sie drehte sich um, doch er ergriff ihre Hand und zog Lexi zurück, so abrupt, dass sie stolperte und an seine Brust prallte. Ihren Blick gefangen haltend, umfing er sie und drückte sie an sich. Ein Schauer der Wonne lief ihr über den Rücken, doch es gelang ihr, mit kühler Stimme zu sagen: „Hat man dir solche Manieren etwa in Spanien beigebracht, Richard? Lass mich sofort
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