Historical Saison Band 16 (German Edition)
beantworten, bis sie mehr über ihn wusste. Sie hatte gelernt, wachsam zu sein. Unmittelbare Gefahr drohte von jemandem, der wusste, dass sie sich in London aufhielt und den Diamanten besaß. Indirekte Gefahr ging von Menschen aus, die diese Informationen an jemanden weitergeben konnten.
Auf Vals Landsitz in Cornwall war die Möglichkeit, jemandem vom Balkan zu begegnen, ausgesprochen gering. Hier in London, während der Friedensverhandlungen, war die Möglichkeit einer solchen Begegnung sehr viel wahrscheinlicher. Die Gefahr trat in vielerlei Gestalt auf. Es wäre vielleicht an der Zeit, wieder ein Messer bei sich zu tragen …
Er lächelte wieder und sagte freundlich: „Aus Konstantinopel.“
Lilya entspannte sich ein wenig. Drohte ihr von Mr Argyros Gefahr oder litt sie unter Verfolgungswahn? „Sind Sie länger hier?“
Er war sicher harmlos, ein diplomatischer Berater, der sich in der Welt umsah und die Gelegenheit nutzte, um seine Stellung und sein Ansehen zu Hause zu festigen. Dieses Zusammentreffen im Park war ein Zufall. Dennoch warnte sie ihre Vorsicht. Er könnte irgendwem von ihr erzählen …
Mr Agyros zuckte leicht mit den Schultern. „Nun, es kommt auf die Umstände an.“ Wieder schenkte er ihr ein entwaffnendes Lächeln. „Ich werde mich jedenfalls lange genug in London aufhalten, um den Ball der Latimores zu besuchen. Darf ich hoffen, Sie ebenfalls dort anzutreffen? Ich merke, dass ich kaum die Augen von Ihnen abwenden kann, so ungebührlich das auch sein mag.“ Sie lachten über seine Bemerkung. Der Ball bei den Latimores war am nächsten Abend.
Vielleicht hatte sie Sehnsucht nach ihrer Heimat, vielleicht hatte sie aufgrund ihres Geheimnisses auch Vorbehalte, die sie in ihrer Wahrnehmung beeinflussten. Wahrscheinlich sollte sie einfach unbeschwert mit dem Mann aus ihrer Heimat plaudern, einem, der dieselben Orte kannte wie sie und dieselben Straßen entlanggegangen war. Ohne weiter nachzugrübeln, sagte sie deshalb: „Ich werde mir den Ball auf keinen Fall entgehen lassen.“
Er zwinkerte ihr zu. Dann verbeugte sich der dunkelhaarige Adonis im Sattel und lächelte sie strahlend an. Zusammen mit den anderen verabschiedete er sich und sie ritten davon. Lady Eleanor folgte ihnen in ihrem Landauer. Lilya bemerkte, dass Beldon sie neugierig betrachtete.
Er lenkte sein Pferd zu ihr. „Reicht es Ihnen nicht, dass sich die Herren aus ganz England um Sie reißen? Müssen Sie auch noch die Herzen aller Europäer brechen?“
Scheinbar hatte er das Gespräch verfolgt. Sie wusste nicht, was sie von seiner Bemerkung halten sollte. „Sollte ich geschmeichelt sein oder aufgebracht, dass Sie gelauscht haben?“
„Lauschen in der Öffentlichkeit zählt nicht“, konterte er. „Ihr Trick funktioniert bei mir nicht. Anders als Mr Agyros werde ich mich durch eine Gegenfrage nicht von meiner Frage ablenken lassen. Warum haben Sie ihm nicht gesagt, woher Sie kommen?“
Sie hatte auch nicht geglaubt, dass es noch einmal funktionieren würde. Aber man konnte es ja versuchen. „Ich möchte Menschen gerne näher kennen, bevor ich etwas von mir offenbare.“
„Ich dachte, es würde Sie freuen, jemandem aus Ihrer Heimat zu begegnen“, bemerkte Beldon verwundert.
Auch wenn es beim ersten Mal nicht geklappt hat, versuche es erneut und sei dieses Mal charmanter! Lilya sah ihn mit einem schüchternen Lächeln an. „Hat Ihnen niemand gesagt, dass man eine Dame nicht dazu zwingen darf, über etwas zu reden, über das sie nicht reden will?“
Unbeeindruckt blieb Beldon beim Thema.
„Ich frage mich, was das über Ihren Mr Agyros aussagt? Ihn schien alles brennend zu interessieren, was Sie geantwortet haben.“
Sie runzelte ihre Stirn. „Das ist genau, was ich meine.“ Sie senkte ihre Stimme und hoffte, er würde sein Verhör beenden. „Wenn ich persönliche Informationen zurückhalte, dann ist das meine Sache.“
Er nickte und schaute sie ernst an. Einen Augenblick lang schien die Welt stehen zu bleiben und sie waren die einzigen Menschen weit und breit. Seine mächtige Aura, die ihr bereits am vergangenen Abend aufgefallen war, raubte ihr beinahe den Atem.
„Ich entschuldige mich, Miss Stefanov. Ich dachte nur daran, wie einsam Sie sich hier in England, weit entfernt von ihrer Heimat, fühlen müssen.“ Er klang sehr höflich, schließlich war er ja auch ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle. Dennoch wühlten seine Gegenwart und sein Verhalten sie auf. Am gestrigen Abend waren es seine
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