Historical Saison Band 18
Wenbury bisher mehr Neugier als Eifersucht entgegengebracht hatte. Allerdings konnte sie nicht leugnen, dass sich über Nacht alles geändert hatte. Mit einem Mal störte sie die Vorstellung, dass Bens alte Liebe an der Verlobungsfeier teilnehmen sollte – was aus ihrer Sicht für jede ehemalige Geliebte gegolten hätte.
Ganz offensichtlich hielt Lady Eleanor wenig von Lady Charlotte. Dies war jedoch nicht weiter verwunderlich, wenn man ihre Zuneigung für ihren Schwager in Betracht zog. Auf jeden Fall hatte Ben sich aus Gründen, die nur ihm bekannt waren, entschieden, die Wenburys einzuladen, und Georgiana blieb nichts anderes übrig, als so gut wie möglich mit der Situation umzugehen. Sie wollte sich keine Blöße geben und versuchte, nicht zu viel über unbedeutende Einzelheiten nachzudenken. Die ganze Verlobung ist ohnehin nur vorgetäuscht! rief sie sich mahnend in Erinnerung und nahm erneut den Federkiel zur Hand. Sie durfte nicht so töricht sein, diese Tatsache aus den Augen zu verlieren … Niemals!
Als der Tag der Verlobungsfeier endlich gekommen war und sie zum Stadthaus des Viscounts fuhr, glaubte Georgiana, ihre Gefühle unter Kontrolle zu haben.
In den beiden letzten Wochen hatte sie genügend Gelegenheiten gehabt, sich ein Bild von Bens Empfindungen ihr gegenüber zu machen. Sie war zu dem Ergebnis gekommen, dass ihr Verhältnis nach wie vor am besten als geschwisterlich beschrieben werden konnte. Nichts an seinem Verhalten ihr gegenüber ließ darauf schließen, dass er sich auch in sie verliebt hatte. Nur wenn sie miteinander getanzt hatten, hatte er sie flüchtig berührt. Sie konnte indes dankbar sein, dass diese Anlässe nicht sehr zahlreich gewesen waren, denn sonst wäre es ihr nicht mehr möglich gewesen, ihre wahren Gefühle vor ihm zu verbergen. In diesen Momenten, in denen sie ihn so groß und stark ganz nah an ihrer Seite gespürt hatte, hatte sie sich seiner verführerischen Männlichkeit kaum entziehen können. Sie hatte gefühlt, welch überwältigende Anziehungskraft er auf sie ausübte und damit ihre Entschlossenheit ins Wanken geraten ließ. Seither bemühte sie sich, ihm gegenüber möglichst viel Abstand zu wahren.
Dennoch gab es auch Momente, bei denen sie für seine Gegenwart dankbar war. Ronan hatte im Haus am Berkeley Square fast für eine peinliche Situation gesorgt, als er aus dem Küchentrakt entkommen und durch den großen Salon gesprungen war. In seinem Eifer, Georgiana zu begrüßen, hatte er seinen Herrn und Lady Eleanor vollkommen ignoriert.
„Von Anfang an hat er eine große Vorliebe für sie gehabt“, klärte der Viscount seine erstaunte Schwägerin auf. „Es gab Zeiten, in denen der undankbare Köter ihr tatsächlich mir gegenüber den Vorzug gegeben hat!“
Mit seiner gespielten Entrüstung hatte er die Situation sofort entschärft. Lady Eleanor hatte nur gelacht und keine weitere Erklärung verlangt. Ein anderer Vorfall dieser Art ereignete sich, als Georgiana nach so vielen Monaten erstmals wieder mit der Köchin zusammentraf. Offenkundig hatte Brindle das Vertrauen seines Herrn nicht enttäuscht und sein Wissen für sich behalten. Jedenfalls hatte Mrs Willard eine ganze Weile lang mit offenem Mund dagestanden und Georgiana ungläubig angestarrt. Geistesgegenwärtig hatte der Viscount eingegriffen.
„Da sind Sie wohl sprachlos, wie bezaubernd Ihre künftige Herrin ist! Das kann ich gut verstehen! Aber sicherlich haben Sie auch nicht erwartet, dass sich Ihr Herr und Meister mit irgendeinem Mondgesicht verlobt hat, oder?“
Erneut hatte sein Einschreiten ihr aus einer Verlegenheit geholfen, zumal Lady Eleanor in diesem Moment ebenfalls zugegen gewesen war. Die Köchin schien sich daraufhin wieder zu sammeln. Bei keiner der folgenden Begegnungen versuchte sie, auch nur darauf anzuspielen, dass sie einander bereits unter ganz anderen Umständen begegnet waren. Das innige Verhältnis zwischen ihnen hatte sich rasch wieder von selbst eingestellt.
Kann heute Abend überhaupt noch etwas schiefgehen? fragte sich Georgiana, während sie graziös die Stufen der Eingangstreppe am Berkeley Square emporstieg. Selbstverständlich hoffte sie das Beste, war jedoch zu realistisch, um nicht mit weiteren Fährnissen zu rechnen. Natürlich wird Ben mir zur Seite stehen, doch trotzdem könnte es Schwierigkeiten geben, rief sie sich mahnend in Erinnerung.
Brindle, der sie im Vestibül willkommen hieß, verriet einmal mehr seine Gefühle, indem er sie mit tiefer
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