Historical Saison Band 18
versieht, werde ich ihr nicht mit törichten Ansprüchen begegnen. Im Großen und Ganzen kann sie ihre eigenen Wege gehen, so wie ich es meinerseits zu tun gedenke.“
Charles’ Entsetzen über die unverhohlene Gleichgültigkeit war nicht zu überhören, als er erwiderte: „Ich kann nicht glauben, dass die Dame, die du eines Tages zur Braut erwählst, dir so wenig bedeuten wird. Vielleicht gelingt es dir, den Großteil der feinen Gesellschaft glauben zu machen, du seist kalt und teilnahmslos, mir jedoch kannst du nichts vormachen. Ich erinnere mich genau, wie viel dir Charlotte Vane bedeutet hat. Ich weiß, zu welch tiefen Gefühlen du fähig bist.“
„Fähig war“, verbesserte der Viscount ihn in einem unheilvoll ruhigen Tonfall. „Anders als du, Charles, bin ich kein Romantiker mehr. Diesen Unsinn überlasse ich den Gelegenheitsdichtern. Ich suche in einer Ehe nicht nach Liebe. Die geschätzte Lady Wenbury hat mir vor acht Jahren eine sehr wertvolle Lektion erteilt. Ich habe gelernt, mich vor allzu zärtlichen Gefühlen zu schützen. Nein, ich wäre zufrieden mit einer Frau, die sich stets schicklich verhält und ihre Pflichten als meine Viscountess erfüllt.“
Es lag eine Bestimmtheit in der tiefen, angenehmen Stimme, die niemandem entgangen wäre. Schon gar nicht Charles Gingham, der das Glück hatte, seit fernen Kindertagen der engste Freund Lord Finchams zu sein. Daher war Charles nicht übermäßig überrascht, als der Viscount den Inhalt seines Kruges hinunterspülte, sich erhob und ihn aufforderte, jetzt besser aufzubrechen, um den Beginn des Faustkampfes nicht zu verpassen.
Das Marktstädtchen Deerhampton glich an diesem sonnigen Herbsttag einem geschäftigen Bienenstock. Es sollte nicht nur ein Faustkampf auf einem Feld am Rand des kleinen Ortes stattfinden, sondern zugleich eine Pferdemesse auf einer der angrenzenden Wiesen. Die Besucher, die von einer oder beiden Attraktionen angelockt worden waren, drängten sich auf der überfüllten Hauptstraße. Ihre Scherze und ihr fröhliches Gelächter vermischten sich mit den Rufen der Straßenhändler, die ihre Ware anpriesen. Vor dem Wirtshaus wurden polternd schwere Bierfässer von einem Wagen abgeladen. So war es nicht verwunderlich, dass dem Viscount, der gerade auf die Straße trat, ein einzelner Aufschrei entging. Dieser Aufschrei hätte ihn jedoch vor einer Gefahr warnen sollen. Erst als jemand gegen ihn prallte und ihn gegen die Wand des Wirtshauses stieß, erkannte er, wie gefährlich nah ihm eines der großen Bierfässer gekommen war. Er sah das Fass gerade noch an sich vorbeirollen, als er den jungen Burschen entdeckte, der ihn zur Seite gestoßen hatte und dabei selbst zu Fall gekommen war.
„Du liebe Güte, Ben! Bist du in Ordnung?“, erkundigte sich Charles, der noch rechtzeitig aus dem Wirtshaus getreten war, um Zeuge des Vorfalls zu werden.
„Ich bin offenkundig besser weggekommen als mein furchtloser Retter hier“, antwortete Lord Fincham.
Er ergriff den dünnen rechten Arm des jungen Mannes, um ihn auf die Füße zu ziehen. Dabei bemerkte er, dass Blut vom linken Knie des Burschen auf dessen Stiefel tropfte. „Hier, nimm das, Junge!“
Er drückte ihm ein feines Batisttaschentuch in die erstaunlich schlanken Hände und beobachtete, wie der junge Bursche sich damit das blutende Bein verband. „Bist du noch an anderen Stellen verletzt?“
„N…nein, ich glaube nicht, Sir“, antwortete der Junge mit unwirscher, heller Stimme, hob seinen Dreispitz vom Kopfsteinpflaster auf, zupfte ein welkes Blatt von dessen Krempe und sah schließlich zu ihm auf.
Überrascht blinzelte der Viscount, als er in die strahlendsten veilchenblauen Augen blickte, die er je gesehen hatte. Umgeben von langen schwarzen Wimpern wären sie eine Zierde für jede Dame gewesen, im Gesicht eines jungen Mannes hingegen erschienen sie fast verschwendet.
Nur zögerlich löste er sich von dem ungewöhnlichen Anblick. Er bat seinen Freund, den Wirt ausfindig zu machen, und wandte sich wieder seinem seltsamen Retter zu. „Wohnst du hier im Ort? Falls dem so ist, kann dich mein Kutscher nach Hause fahren, sobald sich die Wirtsleute um deine Verletzungen gekümmert haben.“
„Bitte keine Umstände, Sir. Das ist nichts weiter als ein Kratzer“, widersprach der Junge, doch der Viscount blieb eisern.
„Das ist das Mindeste, das ich für jemanden tun kann, der mich so selbstlos vor Schaden bewahrt hat. Ah, da ist ja unser Mann!“
Er warf dem Gastwirt eine
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