Historical Saison Band 18
zuvor erwähnt, an einem anständigen Gasthaus, das nicht zu teuer ist, absetzten, stünde ich für immer in Ihrer Schuld.“
Hoffnungsvoll sah sie ihn an. War sie eine derart begnadete Schauspielerin oder war ihre Dankbarkeit echt? Zu seinem eigenen Unbehagen konnte er noch kein abschließendes Urteil fällen. „Das sollte kein Problem darstellen“, willigte er schließlich ein. „Allerdings würde ich vorher gern wissen, weshalb du nach London willst.“
Die Antwort kam prompt. „Ich will mir eine Anstellung suchen, Mylord.“
Skeptisch hob er eine Braue. „Wirklich? Und welche Art von Posten erhoffst du dir?“
Sie zuckte mit den schlanken Schultern. „Das habe ich mir noch nicht genau überlegt. Vielleicht wäre eine Dienstbotenstellung für mich am besten geeignet – zum Beispiel als Lakai.“
Erneut hob Lord Fincham kritisch eine Braue. „Wie alt bist du denn, mein Kind?“
Sie senkte den Kopf und flüsterte mit ihren zarten Lippen: „Fünfzehn, Mylord.“
Das entsprach eindeutig nicht der Wahrheit. Und sofern er sich nicht völlig täuschte, hatte sie diese Lüge nur höchst unwillig geäußert. Interessant … wirklich, sehr interessant!
„Ein wenig jung für einen Lakaien“, bemerkte er, weiterhin gewillt, auf ihr Spiel einzugehen. „Willst du nicht lieber als Page arbeiten?“
„Page“, wiederholte sie nachdenklich. „Ja, das könnte gehen.“
Großer Gott, das konnte nicht ihr Ernst sein! Im Handumdrehen würde man ihr wahres Geschlecht entdecken. Wahrscheinlich hatte er ihr mit seinem Vorschlag einen Bärendienst erwiesen …
Er lehnte sich wieder gegen die samtene Rückenlehne und wurde von ungewöhnlich heftigen Gewissensbissen geplagt. Noch immer wusste er seine geheimnisvolle Reisebegleiterin nicht einzuordnen. Eine solche Unentschlossenheit passte gar nicht zu ihm, denn er galt als guter Menschenkenner. Selbst wenn er sich bei der ersten Begegnung noch kein eindeutiges Bild von einer Person machen konnte, erwiesen sich seine ersten Einschätzungen zumeist als richtig.
George Green jedoch gab ihm tatsächlich Rätsel auf. Allein seine Sprache legte nahe, dass das Mädchen nicht aus den unteren Schichten stammte. Er nahm sogar an, dass sie eine umfangreiche Bildung genossen hatte. Was zum Teufel dachte sie sich also dabei, sich in ein solches Abenteuer zu stürzen? Wenn sie diese Maskerade nicht zum Spaß veranstaltete, war sie wahrscheinlich von zu Hause fortgelaufen – vielleicht, um einem unliebsamen Verehrer oder einer arrangierten Ehe zu entfliehen. Wenn ich noch annähernd bei Verstand bin, nehme ich ihren Vorschlag an und setze sie beim ersten anständigen Gasthof ab, sobald wir London erreicht haben, dachte er. Obgleich ihm diese Überlegung vernünftig erschien, wusste er bereits, dass er sich nicht daran halten würde.
Wieder ertappte er sich dabei, wie er sie beobachtete. Ja, entsprechend gekleidet wäre sie fraglos ein verflucht hübsches Mädchen … nein, ein geradezu wunderschönes, verbesserte er sich im Stillen. Gewiss ist sie älter als fünfzehn … Achtzehn oder vielleicht neunzehn, entschied er. Und ganz eindeutig war sie kein einfältiges junges Ding. Offenbar wusste sie genau, was sie tat. Ihrem verwegenen Rollentausch lag eine bestimmte Absicht zugrunde. Darauf hätte er sein Leben verwettet! Von welcher Seite aus er die Sache auch betrachtete, es ließ sich nicht leugnen: Er fand das Mädchen und die ganze Situation faszinierend und höchst amüsant. Solche Empfindungen hatte er schon seit Langem nicht mehr verspürt, und er war begierig, herauszufinden, wer und was sie war!
„Ich bin erfreut, festzustellen, dass du nicht von Natur aus zu Geschwätzigkeit neigst, Master Green. Dennoch glaube ich, ein wenig Konversation wäre statthaft, selbst wenn wir uns nicht gut kennen.“
Diese Aufforderung veranlasste sie, ihre intensive Betrachtung der Landschaft zu unterbrechen. „Ich bitte um Verzeihung, Mylord. Es ist nur so, dass ich London noch nie zuvor besucht habe. Schon den Weg dorthin finde ich sehr interessant – gerade jetzt, wo die Bäume sich so wunderschön färben.“
„Ich hingegen habe diese Strecke schon zahllose Male und zu jeder Jahreszeit bereist und finde sie eher ermüdend“, entgegnete er. „Ich würde es bevorzugen, ein wenig mehr über dich zu erfahren.“
Der vorsichtige Blick, den sie ihm zuwarf, entging ihm keinesfalls. Jedoch beschloss er, dem keine Beachtung zu schenken. „Warum zum Beispiel hältst du dich allein in
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