Historical Saison Band 18
einer Gegend auf, die dir nach eigenen Angaben fremd ist? Weshalb begleitet dich kein Verwandter?“
„Meine Eltern sind beide tot, Mylord.“
Da sie ihn bei diesen Worten fest angesehen hatte, war er bereit, ihrer Aussage Glauben zu schenken. Ja, er konnte immer deutlicher spüren, wann sie ihm etwas vormachte und wann sie die Wahrheit sagte.
„Und es ist niemand mehr da, der sich für dein Wohlergehen verantwortlich fühlt, mein Kind? Kein Freund oder entfernter Verwandter?“
„Nein, Mylord.“
Ihre Antwort weckte sein Interesse. Sofern sie wieder die Wahrheit gesprochen hatte – was er zu glauben geneigt war –, musste er ihr Alter höher ansetzen, als er ursprünglich angenommen hatte. Vermutlich war sie wenigstens einundzwanzig. Außerdem bedeutete ihre Antwort, dass sie vermutlich nicht vor einem unliebsamen Ehearrangement floh. Dies jedoch warf wiederum die Frage auf, was stattdessen der Grund für ihre Verkleidung war. Mit jeder Meile, der sie sich der Stadt näherten, wuchs seine Neugier.
Schließlich hielt die Kutsche vor einer stattlichen und zugleich eleganten Villa am Berkeley Square. Die geheimnisvolle Begleiterin des Viscounts zeigte sich jedoch keineswegs beeindruckt, als sie hinter ihm aus der Kutsche stieg. Sie wirkte eher beunruhigt, wenn nicht gar ein wenig verärgert, als sie erkannte, dass sie vor seinem Stadthaus standen. Lord Fincham indes hatte einen vorläufigen Entschluss gefasst.
„Sie hatten doch versprochen, mich bei einem Gasthof abzusetzen, Mylord!“
„An ein solches Versprechen kann ich mich nicht erinnern, mein Kind“, erwiderte er und warf ihr einen arroganten Blick zu. „Ich kann zu gegebener Zeit einen meiner Diener anweisen, dich dorthin zu bringen, wenn du das wirklich möchtest. Zunächst will ich dir einen Vorschlag unterbreiten … allerdings nicht hier auf der Straße, wo Gott und die Welt uns zuschauen.“
Er achtete nicht weiter darauf, ob seine Begleiterin ihm ins Haus folgte. Noch bevor er seine Ankunft durch das Betätigen des auf Hochglanz polierten Türklopfers angekündigt hatte, öffnete sich die Eingangstür wie von Geisterhand, und der Viscount betrat gleichmütig das Vestibül. Drinnen übergab er seinen Umhang und den Hut an den Butler, der ihm dienstbeflissen zur Hand ging.
„Bringen Sie Rotwein und zwei Gläser in die Bibliothek, Brindle, und geben Sie der Köchin Bescheid, dass ich heute nicht ausgehen werde.“ Nach dieser Anweisung begab er sich in einen Raum, dessen Wänden durch gut gefüllte Bücherschränke, die bis zur Zimmerdecke hinaufreichten, verdeckt waren. Wie er erwartet hatte, war ihm das Mädchen in Jungenkleidung auf dem Fuße gefolgt.
Erst nachdem die Tür hinter ihnen geschlossen wurde, drehte er sich zu ihr und musterte sie aufmerksam. Zwar hatte sie den Dreispitz abgenommen, ihn aber nicht dem Butler übergeben. Mit der rechten Hand hielt sie den Griff ihres kleinen Koffers fest umschlossen. Daraus ließ sich zweierlei schließen: Erstens kannte sie die korrekte Verhaltensweise gegenüber einem Höhergestellten und zweitens schien sie sich nach wie vor ausgesprochen unwohl zu fühlen. Als sie sich unverhohlen weigerte, Platz zu nehmen, drängte er sie nicht weiter und machte es sich in einem Sessel bequem. Von dort beobachtete er sie, wie sie sich im Raum umschaute und das Gemälde, das den Ehrenplatz über dem Kamin einnahm, genauer betrachtete.
„Das ist Ihre Familie, nicht wahr, Mylord?“
„Ja, in der Tat, mein Kind. Der hochgewachsene Gentleman hatte das Glück, mein Vater zu sein. Meine Mutter, obgleich keine Schönheit, wie du selbst feststellen magst, besaß eine Menge Verstand und Charme. Ich bin das jüngere Kind, das den Hund festhält. Mein Bruder ist bereits verstorben.“
Er sah, wie sich ihre dünnen schwarzen Brauen zusammenzogen. „Mein aufrichtiges Beileid, Mylord. Ist es erst kürzlich geschehen?“
Offensichtlich interessierte das Mädchen sich nicht für die Geschehnisse in der feinen Gesellschaft, sonst hätte sie diese Frage nicht gestellt. „Er starb vor etwa acht Jahren nach einem Sturz vom Pferd.“
Bevor sie etwas entgegnen konnte, öffnete sich die Tür, und sein Butler, der schon seit langer Zeit der Familie Fincham zu Diensten war, trat ein.
„Sie können das Tablett einfach hier abstellen, Brindle. Wir bedienen uns dann selbst. Ich werde läuten, wenn ich Sie wieder benötige. In der Zwischenzeit wünsche ich, nicht gestört zu werden.“
Der Butler war zu erfahren, um sich
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