Historical Saison Band 18
Page bist. Starre vor allem niemanden an, sonst sehe ich mich genötigt, dich in den Dienstbotentrakt hinunterzuschicken.“
Sie schwieg und machte eine sichtlich besorgte Miene. „Aber mit Ihnen darf ich doch sprechen, Mylord, wenn ich … wenn mich etwas beunruhigt, oder?“
Er betrachtete sie aufmerksam. „Du kannst dich jederzeit an mich wenden, mein Kind, egal wo und wann, wenn du etwas Wichtiges mit mir besprechen möchtest.“
Das schien sie zu beruhigen, denn sie schenkte ihm ein strahlendes und beinah zutrauliches Lächeln. „Sie müssen mir nur noch erzählen, wohin wir fahren, Mylord“, ermahnte sie ihn, als ob sie jedes Recht hätte, ihm solche Fragen zu stellen.
Die Bestrafung dieser Ungehörigkeit hätte nicht lange auf sich warten lassen, wenn sein gewissenhafter Butler sie mit angehört hätte. Oder vielleicht auch nicht, da es sich ja um meinen Pagen handelt, besann sich der Viscount im Stillen. Offenkundig hielt sich Brindle peinlich genau an seine Anweisung, mit dem Ergebnis, dass Georgie noch nicht gelernt hatte, wo sein Platz war. Seine Lordschaft war darüber jedoch alles andere als verstimmt. Es amüsierte ihn eher, das Mädchen so aus der Rolle zu bringen, dass sie ihn gelegentlich wie einen Ebenbürtigen behandelte.
„Wie nachlässig von mir, Georgie!“, entschuldigte er sich, ohne mit der Wimper zu zucken. „Wir sind zum Haus des Duke und der Duchess of Merton unterwegs. Dort herrscht normalerweise ein heilloses Gedränge. Also bleib bloß in meiner Nähe, sonst gehst du noch verloren.“
Als sie schließlich das imposante Stadthaus erreichten, stellte der Viscount erfreut fest, dass seine Ratschläge beherzigt wurden. Abgesehen davon, dass sie einem wartenden Lakaien kurzerhand die Umhänge reichte, blieb sie ansonsten pflichtbewusst auf seinen Fersen, auch, als sie auf der eindrucksvollen Treppe darauf warteten, von den Gastgebern begrüßt zu werden. Offenkundig war es seinem Butler doch gelungen, ihr gewisse Vorkenntnisse über das Benehmen eines Pagen zu vermitteln. Dennoch blieb sie den Adleraugen der Duchess of Merton nicht verborgen.
„Was ist das für eine neue Vorliebe, Fincham? Ich habe Sie noch nie zuvor mit einem Pagen an ihrer Seite gesehen.“
„Eine Laune, nichts weiter. Ich erlag dem boshaften Verlangen, Sir Willoughby ein wenig zu ärgern. Sie wissen doch, wie sehr er es hasst, wenn ihn jemand übertrifft.“
„Sie schlimmer Junge!“ Sie klopfte ihm kokett mit dem Fächer gegen die Brust. „Ich habe keinen Zweifel, dass Sie damit Erfolg haben werden. Ein ganz bezauberndes Kind haben Sie da. Ich wüsste zu gern, wo sie es gefunden haben. Jedenfalls finden Sie Sir Willoughby im Kartenzimmer.“
Mit einem Fingerschnippen wies Lord Fincham seinen Pagen an, ihm zu folgen, und betrat den prunkvoll geschmückten Ballsaal. An den Längsseiten des Saals thronten riesige Blumenvasen auf Marmorsockeln. Lange Bahnen pfirsich- und cremefarbenen Seidenstoffes waren kunstvoll an den Wänden drapiert, und prächtig gewachsene Palmen zierten die Wandnischen. Es war ein Anblick, der jedem unerfahrenen Mädchen den Atem rauben musste, und seine junge Begleiterin stellte keine Ausnahme dar. Auch wenn sie diesen Luxus nicht mit offenem Mund bestaunte, so entging ihm doch nicht, wie sich ihre veilchenblauen Augen weiteten. Jeder, der über ein wenig Scharfsinn verfügte, hätte anhand dieser wunderschönen Augen leicht ihr wahres Geschlecht erraten können. Daher entschied sich der Viscount, lieber vorsichtiger vorzugehen.
„Warte dort drüben in dem Erker auf mich. Und denke daran, niemanden anzustarren!“
Dass sie seinem Befehl nicht wortwörtlich Folge leistete, bemerkte er, als er zufällig einen Blick in ihre Richtung warf und sah, wie sie ausgiebig eine Gruppe von Gästen musterte. Dabei verriet ihr Mienenspiel, dass nicht alle der von ihr in Augenschein genommenen Personen ihre Billigung fanden.
Nachdem er seiner Pflicht Genüge getan und sich eine Weile mit der Tochter des Hauses, zu deren Ehren der Ball gegeben wurde, unterhalten hatte, schlenderte der Viscount auf den Erker zu. „Ich bin höchst neugierig auf deine Meinung, mein liebes Kind, aber ich würde es bevorzugen, wenn du sie im Privaten kundtun würdest. Fürs Erste folgst du mir besser in das Kartenzimmer.“
Rasch machte Lord Fincham die Person aus, auf die er es abgesehen hatte, und schritt zu einem Tisch in der Ecke, an dem zwei Gentlemen saßen. Einer der beiden trug die gängige
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