Historical Saison Band 19
er erregt ihren begierigen Körper umschlossen hatte. Er wollte sie – fast so sehr wie sie ihn, trotz des vergangenen Unglücks und all der Missverständnisse, die jeden Gedanken an eine gemeinsame Zukunft im Keim erstickten. Wären wir einander doch erst jetzt als Liebende begegnet und nicht schon vor Jahren, als alles unmöglich war, dachte sie wehmütig. Und warum fühlte sie sich besser, weil er sich ebenso quälend nach ihr verzehrte wie sie sich nach ihm?
Noch immer spürte sie das sengende Verlangen in den Brüsten, die sich plötzlich schwer und heiß unter dem sittsamen mausgrauen Kleid anfühlten. In dieser armseligen Verkleidung hatte sie sich selbst kaum wiedererkannt – hatte sich selbst nicht darin wiedererkennen wollen. Jetzt hatte sie das schreckliche Gefühl, sich die ganze Zeit etwas vorgemacht zu haben. Die leidenschaftliche Frau schien die wahre Sophie – die Sophie, die sie in diesen acht Jahren für tot und begraben gehalten hatte: Eine schamlos begehrende Sophie, die nur feurig angesehen werden musste und bei der ein paar sorglose Küsse von Lord Sylbourne ausreichten, um in ihr grenzenloses Verlangen zu entfachen, sie geradezu danach betteln zu lassen, dass es noch weit mehr gab, was sie einander sein konnten – mehr als ein Earl und eine Gouvernante sich in ihren kühnsten Fantasien erträumen durften.
„Ach hier sind Sie.“
Edwinas Stimme riss sie aus den verstörenden Gedanken. Sie hatte den Kopf aus der Tür des Salons gesteckt, wahrscheinlich weil sie nach ihrem Bruder Ausschau halten wollte, und schien keinesfalls erfreut, stattdessen ihre ehemalige Freundin zu erblicken. Dennoch trat sie aus dem warmen und behaglichen Zimmer auf den Gang und schloss die Tür hinter sich.
„Ja, hier bin ich“, erwiderte Sophie einfallslos.
„Mir war, als hätte ich eben durch das Fenster meinen Bruder im Schnee erblickt. Sollten Sie und er gestritten haben, lässt sich das wohl als Ausdruck seiner Verärgerung deuten, dass die Welt nicht nach seiner Pfeife tanzt, ebenso wie es sein Bedürfnis nach arktischer Luft erklärt, um seine Wut abzukühlen, Miss Rose.“
„Tut es das?“
„Oh, zweifelsohne“, sagte Edwina von ihrer schwesterlichen Weisheit überzeugt.
„Und Sie freuen sich darüber?“, fragte Sophie ungläubig.
Edwina zuckte gelassen mit den Schultern. „Ihr zwei könnt ebenso gut gemeinsam wie getrennt unglücklich sein“, erwiderte sie, als ob diese Aussage alles beantworten würde.
„War er unglücklich?“, fragte Sophie ohne nachzudenken und ärgerte sich sogleich, weil sie damit verraten hatte, dass ihr sein Glück oder Unglück nicht gleichgültig war.
„Natürlich war er das. Sie haben ihn auf so grausame Weise verlassen, wie hätte es da anders sein sollen? Aber erfreulicherweise ist er darüber hinweg. Und nun kommen Sie schon zurück ins Warme, anstatt hier draußen auf dem Gang zu frieren. Wir lassen ihn besser draußen im Schnee sein Gemüt abkühlen“, sagte Edwina ruhig.
Sophie war klar, dass die einstige Freundin ihr wohl nie verzeihen würde, dass sie ihren geliebten Bruder ohne eine Erklärung verlassen hatte. Kleinlaut kehrte sie in den Salon zurück, wo sie von Imogen und den beiden jüngeren Mädchen freudig begrüßt wurde, während die Garret-Lowdens ihr vorwurfsvolle Blicke zuwarfen, weil sie es wagte, erneut in den Kreis der Familie und deren wichtiger Gäste zurückzukehren.
Sie fragte sich, ob sie die Einzige war, die sich über die plötzliche Stille freute, als Mrs Garret-Lowden schließlich das Reservoir an geistlosen Bemerkungen ausging, die sie in Gegenwart der Tochter eines Earls für angemessen hielt. Ihre ziemlich offensichtlichen Versuche, bei Peters Schwester Erkundigungen über den Familienstand Seiner Lordschaft und seine finanzielle Situation einzuholen, waren zu guter Letzt immer halbherziger geworden. Jetzt nickte sie vor dem Kaminfeuer ein, nachdem sie an diesem Abend alles und jeden in Heartsease Hall kritisiert hatte, obwohl sie eifrig den Plan verfolgte, Livia eines Tages zur Herrin des Hauses zu machen.
Livia schien ebenso erleichtert wie die übrigen Anwesenden, dass ihre Mutter bis auf gelegentliche Schnarchgeräusche nichts mehr verlauten ließ. Sophie begann sogar, eine gewisse Sympathie für sie zu entwickeln, als sie mitbekam, wie Timons Verlobte begann, sich freundlich mit Imogen über den bevorstehenden Weihnachtsabend zu unterhalten. Möglicherweise würde Livia für Timon doch eine gute Ehefrau
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