Historical Saison Band 19
abgeben, wenn sie erst einmal dem unglücklichen Einfluss ihrer ehrgeizigen Mutter entkam. Sophie hoffte inständig, dass die Mädchen und sie die junge Dame falsch eingeschätzt hatten, denn dann brauchte sie den Antrag von Sir Gyffard nicht länger in Erwägung zu ziehen, und alle konnten mehr oder weniger so weiterleben wie bisher. Allerdings nur, sofern Livia sich tatsächlich zu einer Frau mit Charakter entwickelte.
So viele Hoffnungen, die auf so schwachen Schultern ruhen, dachte sie zweifelnd, als sie von der Näharbeit hochsah. Livia beobachtete gerade ihre leise schnarchende Mutter, als ob sie darauf wartete, dass ein schlafender Tiger unter Brüllen erwachen und sie verschlingen würde. Sophie empfand Mitleid mit der jungen Frau, die gewiss mit der Erwartungshaltung erzogen worden war, unbedingt einen besonders wohlhabenden und einflussreichen Ehemann zu finden. Sie fragte sich in diesem Zusammenhang, wie stark die Garret-Lowdens überhaupt in der feinen Gesellschaft verankert waren. Wenn Sir Gyffard doch nur nicht hätte abreisen müssen! Dann hätte er sich jetzt selbst ein klares Bild von Livia und ihrer Mutter machen können. Und möglicherweise hätte er mir dann nie einen solch hilflosen Heiratsantrag gestellt, dachte Sophie.
Sie wünschte, er hätte es nicht getan – oder hätte wenigstens noch abgewartet. Wenn Timon seine Auserwählte wirklich liebte, war die Entscheidung richtig, sie zu heiraten. Sofern Miss Garret-Lowden seine Liebe erwiderte oder ihn zumindest gern hatte, würde sie vielleicht einen Weg finden, sich von der Dominanz ihrer Mutter zu befreien. Wer bin ich denn, mir anzumaßen, über die Tiefe der Gefühle anderer zu urteilen, wo ich selbst mein Herz viel zu früh und unwiederbringlich verloren habe?
„Um Himmels willen komm herein und schließ rasch die Tür, Peter!“, befahl Edwina ihrem Bruder, als er endlich im Salon erschien. „Du Schuft sorgst dafür, dass die frostige Atmosphäre zurückkehrt“, schimpfte sie und nickte ernst in Richtung des Kamins, vor dem Mrs Garret-Lowden mit einem Schnarcher, den alle geflissentlich überhörten, erwachte.
„Da sind Sie ja, Mylord“, murmelte Livias Mutter noch ganz benommen und blinzelte zu ihm hoch, als ob sie ihn insgeheim fürchtete.
„Ja, hier bin ich“, bestätigte er ruhig und stellte sich in typisch männlicher Pose vor den Kamin, um sich am Feuer zu wärmen, wobei er das gemütliche Zimmer musterte, als ob er der Herr des Hauses wäre.
„Jetzt, wo wir wieder zu viert sind, könnten wir eine Partie Whist spielen“, schlug Mrs Garret-Lowden vor, und Sophie fragte sich, ob sie zu den vier gemeinten Personen zählte oder nicht.
„Ach nein, Mama, du weißt doch, wie sehr ich das hasse. Ich kann mir die Spielzüge nicht merken, ganz zu schweigen von diesem Unsinn mit den Trümpfen und Übertrümpfen und all diesen Kunstgriffen, die dich so erfreuen“, widersprach Livia leidenschaftlich, ohne darauf zu achten, ob sie in den Augen des Respekt einflößenden Earl of Sylbourne weiter sank.
„Möchten Sie stattdessen vielleicht mit meinen Schwestern und mir eine Runde Canasta spielen, Miss Garret-Lowden? Miss Rose ist eine geschickte Spielerin, und meine Brüder wetteifern immer darum, sie als Partnerin zu haben, weil dann ihre Chancen zu gewinnen enorm steigen“, sagte Imogen arglos.
Sophie ermahnte sich, jede Annäherung zwischen Imogen und Livia zu unterstützen, auch wenn sie selbst dadurch in eine unangenehme Lage geriet.
„Miss Frayne übertreibt“, beteuerte sie ernst und hoffte, ihre Einbeziehung würde genügen, damit Mrs Garret-Lowden von der Idee Abstand nahm.
„Das bezweifle ich. Jedes Spiel, bei dem eine rasche Auffassungsgabe wichtiger ist als Glück, ist dir stets leichtgefallen“, widersprach Edwina spontan. Dann warf sie Sophie einen halb entschuldigenden, halb herausfordernden Blick zu, als ihr klar wurde, dass sie gerade verraten hatte, die Gouvernante der Fraynes weit besser zu kennen, als einer von ihnen bislang zugegeben hatte. „Miss Rose ist eine entfernte Verwandte, und wir spielten oft zusammen, als ich im Alter von Miss Audrey war“, offenbarte sie schließlich schulterzuckend, als ob es keiner weiteren Erklärung bedurfte.
„Warum um alles in der Welt haben Sie uns nie davon erzählt, Miss Rose?“, wollte Mrs Garret-Lowden wissen, während ihre Nase zuckte, als wäre sie ein Terrier, der einer todgeweihten Ratte auf der Spur war.
„Es steht mir nicht zu, mich mit meinen
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