Historical Saison Band 20
vorzuweisen.“
Anthonys Faszination wuchs von Moment zu Moment. Dass eine junge Frau solches Interesse an der Landwirtschaft zeigte, war ihm noch nie vorgekommen.
„Und was hast du mit dem zusätzlichen Profit getan?“
„Das meiste davon wurde in weitere moderne Maschinen investiert. Hugh war besonders erpicht darauf, eine neue Ackeregge zu erstehen. Vom Rest wurden die Strohdächer der Häuschen der Landarbeiter in der Thorney Lane erneuert.“
Während er lauschte, musste Anthony zugeben, dass sie ihn beeindruckte. Claudia verfügte über tiefe Kenntnisse und musste sehr tüchtig sein. Doch zu erfahren, wie sehr sie sich in diese komplizierten Themen hatte einarbeiten müssen, verstärkte nur noch sein schlechtes Gewissen.
Claudia sah, wie Anthony die Stirn runzelte. Hatte sie ihn verärgert? Vielleicht glaubte er, es stünde ihr nicht an, so wichtige Entscheidungen für das Gut zu treffen.
„Macht es dir etwas aus?“, fragte sie.
„Was soll mir etwas ausmachen, meine Liebe?“
„Dass ich das Geld auf diese Weise verwendet habe.“
„Ganz gewiss nicht. Du hast die richtigen Entscheidungen getroffen. Nicht viele junge Frauen würden sich allerdings für so etwas interessieren.“
„Nun, irgendjemand musste es ja tun.“ Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, bereute sie sie. „Entschuldige, ich meinte nicht … das heißt …“, sie brach betroffen ab.
„Mach dir keine Gedanken. Du hast ja recht. Jemand musste es tun, und ich war nicht hier.“
Ihre Wangen röteten sich. „Die Arbeit musste getan werden. Ich hätte schon vorher etwas unternommen, wenn ich es gekonnt hätte. Aber das ging erst, als ich mündig wurde. Dein Vater kümmerte sich nicht um Oakley Court oder dessen Pächter.“
„Das glaube ich. Er interessierte sich stets nur fürs Spielen oder Jagen.“ Er lächelte trocken. „Als Kind hoffte ich immer, er würde mich zum Jagen oder Angeln mitnehmen. Aber er tat es nie.“
„Warum ließ er solche Gelegenheiten ungenutzt? Er hätte eine viel engere Beziehung zu dir haben können.“
„Nun, er sah es eben nie als eine Gelegenheit an, mich kennenzulernen, sondern nur als Störung. Eine engere Beziehung wollte er gar nicht.“
„Aber deiner Mutter lag viel an dir.“
„Ja, doch sie ließ sich zu sehr von ihm beherrschen. Zuerst wurde ich der Obhut einer Amme übergeben, dann der eines Hauslehrers. Einmal am Tag wurde ich zur Inspektion vorgeführt. Hatte der Hauslehrer etwas an meinem Verhalten oder meinem Studium auszusetzen, erhielt ich von meinem Vater eine Tracht Prügel.“
„Lieber Himmel.“
„Als ich neun wurde, schickte man mich in ein Internat. Mein Vater meinte, die Disziplin würde mir guttun.“
Claudia wurde blass. „Wie fürchterlich.“
„Ganz und gar nicht. Es war eine unendliche Erleichterung für mich, da das Regime in Eaton im Vergleich viel lockerer und angenehmer war.“
Sein Ton blieb gelassen, aber Claudia hörte ihn dennoch an, wie sehr ihn das getroffen haben musste. Es zeigte seine unerwartete Verletzlichkeit. Seine einsame, brutale Kindheit hatte geholfen, ihn zu dem Mann zu formen, der er war.
„Was geschah nach Eaton?“, fragte sie voller Neugier.
„Auf Beharren meines Vaters ging ich nach Cambridge. Ich wollte zur Armee, aber das blieb üblicherweise den jüngeren Brüdern vorbehalten, und mein alter Herr wollte nichts davon hören.“ Er hielt kurz inne. „Und am Ende meines zweiten Jahres wurde ich nach Hause beordert und erfuhr, dass ich heiraten würde.“
„Ich kann mir gut vorstellen, wie du das aufgenommen haben musst.“
„Sicher kannst du das. Wir hatten einen heftigen Streit. Ich weigerte mich rundheraus, bis mir unsere finanzielle Situation klargemacht wurde. Da wusste ich, dass mir keine andere Wahl blieb.“ Er warf ihr einen schnellen Blick zu. „Allerdings bot sich mir dadurch die Gelegenheit, doch noch zur Armee zu kommen.“
„Du stimmtest der Heirat zu, wenn du im Gegenzug dafür das Offizierspatent bekommen würdest.“
„Genau.“ Er seufzte leise. „Ich bin nicht stolz auf mein Verhalten, Claudia.“
Sie nickte. „Nun, das ist jetzt Schnee von gestern, nicht wahr?“
Eine Weile ritten sie, ohne zu sprechen. Claudia konnte Anthonys Gefühle sehr gut verstehen. Auch sie war damals entsetzt über die Pläne ihres Vaters gewesen, zutiefst erschrocken bei dem Gedanken, ihr Zuhause zu verlassen und unter Fremden zu leben, für die sie nicht mehr darstellte als ein Mittel zu ihrer finanziellen
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