Historical Saison Band 20
von dem Augenblick an, als sie sich an jenem erstaunlichen Abend in Paris begegnet waren. Es war nutzlos, das leugnen zu wollen. Noch nie hatte er eine Frau so sehr begehrt wie sie. Aber das war bedeutungslos, solange sie seine Gefühle nicht erwiderte. Er seufzte. Früher hätte er seine Chancen etwas höher eingestuft, aber das war, bevor ein französischer Kavalleriesäbel ihm das Gesicht ruiniert hatte.
Am nächsten Morgen hatte sich das Wetter ein wenig gebessert. Claudia nutzte sogleich die Gelegenheit und begab sich zu den Ställen. Allerdings musste sie feststellen, dass Anthony schon vor ihr angekommen war und der Stallknecht bereits sein Pferd herausführte. Es war ein wunderschöner Brauner, sehr groß und ganz offensichtlich mit einem lebhaften Temperament ausgestattet. Gewiss war es nicht leicht, ihn zu reiten. Hatte Anthony ihn aus Spanien mitgebracht? Plötzlich wurde sie neugierig.
Anthony schwang sich in den Sattel und wollte schon davongaloppieren, als er Claudia sah. Sein Blick verweilte auf ihrem grünen Reitkostüm mit dem weiten Rock, das sehr kleidsam und modisch war und ihre Figur aufs Vorteilhafteste betonte. Die Jacke war im militärischen Stil geschnitten. Ein kecker, mit Federn geschmückter Tschako vervollständigte die elegante Erscheinung.
Er lächelte. „Guten Morgen, meine Liebe.“
Mit gespielter Gelassenheit erwiderte sie seinen Gruß. „Das ist ein sehr schönes Tier. Aus Andalusien?“
„So ist es.“
„Wie heißt er?“
„Diablo.“
„Und ist er wirklich ein Teufel?“
„Er kann es sein, wenn ihm danach ist.“
Das glaubte sie gern. Der Braune war gewiss kein Pferd für einen Neuling. Als der Stallknecht Spirit herausbrachte, erschien Claudie die Stute im Vergleich sehr klein.
Anthony sah erst das Pferd an, dann sie. „Reite heute Morgen mit mir aus.“
Zunächst zögerte sie, aber es war unmöglich abzulehnen, ohne launenhaft zu wirken. Besser, sie ließ ihn glauben, dass es ihr gleichgültig war, ob sie mit ihm ausritt oder nicht.
„Wie du möchtest.“
Er wartete, während der Stallknecht ihr in den Sattel half. Sich Anthonys Blicken nur allzu bewusst, strich sie gemächlich ihre Röcke glatt und ergriff die Zügel.
„Fertig?“, fragte er.
„Ja.“
Eine kleine Weile lang ritten sie in einträchtigem Schweigen. Nur ab und zu warf Claudia ihm verstohlen einen Blick zu. Seine Haltung im Sattel war ausgezeichnet, wie sie feststellte, und sein perfekt sitzender Reitanzug betonte jede Kontur seines harten männlichen Körpers – eines Körpers, dessen Kraft sie bereits erlebt hatte. Die Hände, die die Zügel jetzt mit täuschender Leichtigkeit hielten, waren auch fähig, jemanden zu strafen … und zu erregen. Weit davon entfernt, eine Zumutung für sie zu sein, war seine Anwesenheit eher belebend und sehr aufregend. Verlegen und ärgerlich über sich selbst wandte sie rasch den Blick ab.
Tatsächlich war Anthony die heimliche Musterung nicht aufgefallen. Seine Aufmerksamkeit gehörte für den Augenblick dem blühenden, gepflegten Zustand seines Gutes. Überall gab es Anzeichen dafür, von den sauber gestutzten Hecken zu den klaren, frei fließenden Gräben und den Feldern in einiger Entfernung wo der frische grüne Weizen aus der dunklen Erde keimte.
„Ist Charles Trevor noch immer der Verwalter?“
„Er hat sich vor vier Jahren zurückgezogen“, antwortete sie. „Sein Sohn Hugh hält jetzt die Position inne.“
„Ich verstehe. Von meinem Vater berufen, nehme ich an.“
„Nein, von mir.“
Anthony wusste, dass er eigentlich nicht erstaunt sein sollte.
„Hugh Trevor hat die Arbeit von seinem Vater erlernt“, fuhr sie fort, „und verspricht ebenso gut darin zu sein.“
„Du klingst zuversichtlich. Bist du mit der Qualität seiner Arbeit so gut vertraut?“
„Selbstverständlich. Wir sprechen oft miteinander, und ich bin bei zahlreichen Gelegenheiten mit ihm und seinem Vater ausgeritten.“ Sie lächelte. „Hugh liebt das Land ebenso sehr wie Charles. Er ist begeistert und tatkräftig und kennt sich mit den neuesten Ackerbaumethoden aus.“
Anthony entging weder die Wärme ihres Tons noch ihr Lächeln. Andererseits war er neugierig und wollte Claudia nicht unterbrechen, da sie schon mal bereit zu sein schien, mit ihm zu reden.
„Der neue Pflug und die Drillmaschine, die er eingeführt hat, haben ihre Kosten bei der letzten Ernte schnell eingebracht.“
„Ja?“
„Wir hatten etwa fünf Tonnen zusätzliche Erträge
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