Historical Saison Band 20
Mann hingegeben, der sie nur nehmen würde, weil er es konnte; weil es sein Recht war und er einen Erben brauchte. Aber warum hatte er sich dann im letzten Moment von ihr zurückgezogen? Ihre Verwirrung nahm zu. Ihm nach einem solchen Verhalten die Tür zu öffnen, hätte bedeutet, jeden Respekt vor sich selbst zu verlieren, und am Ende sogar noch mehr. Darum hatte sie bei Morgengrauen Lucy zu sich gerufen und sie angewiesen, zu packen.
Brüssel würde eine wunderbare Ablenkung bieten von der düsteren Stimmung, die sie jetzt im Griff hielt. Bis Anthony erfahren hatte, wo sie sich aufhielt, sollte sie ihre Schwäche überwunden haben. Zweifellos war er wütend auf sie, aber das machte ihr nichts mehr aus. Sie durfte nicht zulassen, dass er über sie bestimmte. Sollte es schließlich zu einer Auseinandersetzung mit ihm kommen, würde sie sich ihm stellen. Danach konnten sie wieder getrennt ihr Leben leben, wie sie es schon immer getan hatten.
Anthony erreichte Grosvenor Square, nur um festzustellen, dass das Haus bis auf das Personal unbewohnt war. Von Claudia keine Spur und kein Hinweis darauf, ob sie je die Absicht gehabt hatte, hierher zu kommen. Fragen an die Dienerschaft brachten ihn auch nicht weiter. Jetzt wurde ihm klar, dass sie eine falsche Fährte gelegt hatte, um ihn hinters Licht zu führen. Also konnte sie überall sein.
Statt im trüben Mausoleum am Grosvenor Square zu wohnen, kam er in einer Herberge unter. So hatte er Zeit, zu überlegen. Er wusste, dass Claudia Freunde in der Stadt hatte, allerdings nicht, wer sie waren. Außerdem musste ihr doch klar sein, dass er zuallererst in London nach ihr suchen und sie in absehbarer Zeit auch finden würde. Wenn sie es nicht darauf abgesehen hatte, für den Skandal der neuen Saison zu sorgen, wäre sie also gezwungen, bald wieder unter einem Dach mit ihm zu leben. Wie er Claudia inzwischen kannte, gehörte das bestimmt nicht zu ihrem Plan. Wenn er sich nicht irrte, beabsichtigte sie, ihre Unabhängigkeit zurückzuerlangen. Zum ersten Mal empfand er einen Anflug von Furcht. Diese Flucht war keine List, um sein Interesse zu wecken und zu sehen, ob er ihr folgen würde. Nein, seine Frau wollte nicht, dass er sie fand.
Anne Harringtons Haus befand sich in der Rue Royale mit einem herrlichen Blick auf den Park. Die Straße mit den imponierenden Gebäuden gehörte zu den angesehensten Adressen Brüssels. Claudia betrachtete den von Säulen eingefassten Eingang und lächelte verstohlen. Die Miete musste horrend sein. Aber Annes Ehemann konnte es sich leisten. Bisher war Claudia Sir Quentin nur einige Male begegnet, aber er war ein sehr liebenswürdiger Mann, der die Freundin seiner Gattin jedes Mal freundlich empfangen hatte.
Als der Lakai sie in den Salon führte, erhob Anne sich, um sie zu begrüßen. Sie war eine sehr hübsche junge Frau mit blonden Locken und strahlenden blauen Augen, nur zwei Jahre älter als Claudia selbst. Jetzt lächelte sie erfreut.
„Claudia, was für eine wundervolle Überraschung es war, gestern deine Nachricht zu erhalten! Ich wusste ja gar nicht, dass du nach Brüssel kommen wolltest.“
„Ich auch nicht, bis vor Kurzem. Aber ich brauchte eine kleine Abwechslung.“
„Dann bist du am richtigen Ort. Nicht nur die Offiziere, auch der Großteil des tons hält sich inzwischen hier auf. Allabendlich gibt es einen Ball oder eine Gesellschaft, und dann natürlich das Theater und die Oper. Auf dem Land um Brüssel herum ist es ebenfalls wunderschön. Wann bist du angekommen?“
„Vor zwei Tagen.“
„Du siehst erschöpft aus, meine Liebe. War die Reise fürchterlich?“
„Nicht so schlimm. Ich muss nur einmal gut ausschlafen.“
„Wo bist du abgestiegen?“
„In einer Herberge, bis ich eine dauerhafte Unterkunft finde.“
„Aber meine Liebe, du hättest sofort zu mir kommen sollen. Wir haben mehr Platz, als wir jemals brauchen könnten.“
„Ich möchte dir keine Umstände machen, liebe Anne. Außerdem kann ich schon morgen in mein neues Haus einziehen.“
„Dann gib mir unbedingt die Adresse.“ Anne lächelte. „Inzwischen nehmen wir unseren Tee zu uns, und du kannst mir deine Neuigkeiten erzählen.“
Natürlich erhielt sie nur eine stark zensierte Version der Ereignisse, da Claudia Paris und ihre Agententätigkeit nicht erwähnte. Allerdings reichte die Rückkehr des Earls, um das Interesse ihrer Freundin zu fesseln.
„Es muss wirklich seltsam gewesen sein, einem Ehemann zu begegnen, den du so lange nicht
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