Historical Saison Band 20
könnte.
„Anthony, ich werde nicht …“
Er zog sie dichter an sich. „Oh doch, du wirst.“
Damit führte er sie auf die Tanzfläche. Es war das erste Mal, dass sie zusammen tanzten, aber ganz gewiss nicht das erste Mal, dass Anthony den Walzer tanzte. Er bewegte sich mit müheloser Sicherheit, und schließlich überließ Claudia sich der Musik und versuchte, nicht an die starken Finger zu denken, die ihre Hand hielten, oder an die feste Hand auf ihrer Taille und die Tatsache, dass sie nur wenige Zentimeter trennten. Ihr Herz klopfte schneller, aber nicht vor Furcht.
„Wie hast du mich gefunden?“
„Logische Schlussfolgerung, meine Liebe.“
„Aber warum bist du gekommen?“
„Ich denke, das weißt du sehr gut.“
Was sein feuriger Blick andeutete, war unendlich aufwühlend. Verwirrt sah sie fort.
„Wovor fürchtest du dich?“
„Vor nichts.“
„Warum bist du also fortgelaufen?“
Sie sah ihn wieder an. „Ich bin nicht fortgelaufen. Ich bin gegangen. Das ist ein Unterschied.“
„Ach?“
Hastig wechselte sie das Thema. „Wo wohnst du?“
„In der Rue de Namur, meine Süße. Wo denn sonst?“
Empört schnappte sie nach Luft. „Oh nein, das kommt nicht in Frage!“
„Auch da bin ich anderer Meinung. Immerhin bleibt uns nichts anderes übrig, es sei denn, du möchtest, dass ganz Brüssel sich über uns den Mund zerreißt.“
Sie presste gereizt die Lippen zusammen, wusste aber, dass er recht hatte. „Nun gut. Etwas Heuchelei macht jetzt auch keinen Unterschied mehr.“
„Heuchelei? Weil ein Mann mit seiner Frau zusammenlebt? Wohl kaum.“
„Du weißt, was ich meine.“
„Nun, ich bin nicht ganz sicher, ob ich das tue. Du kannst es mir später erklären. Bis dahin lass uns diesen Walzer genießen.“
Sie wirbelten über den Tanzboden, und Claudia hörte auf zu grübeln und gab sich einfach dem Zauber der Musik hin. Sie genoss den sinnlichen Tanz wirklich und verachtete sich selbst dafür, weil sie mit einem Mann zusammen sein wollte, der nichts für sie empfand. Sie wünschte, sie könnte ihm gegenüber ebenso gleichgültig sein, aber sie war es nun einmal nicht. Das war die schreckliche Wahrheit. Seine Macht über sie hatte nichts mit dem Ehevertrag zu tun oder mit dem Gesetz, sondern nur mit den Gefühlen, die er in ihr zu wecken verstand, und mit der Erinnerung, wie es gewesen war, nackt in seinen Armen zu liegen – und dass sie das wiederholen wollte.
Schließlich ging der Tanz zu Ende. Claudia knickste und wandte sich ab, ängstlich darauf bedacht, ihm zu entkommen, bevor er noch ihre Gefühle erriet. Doch er hielt sie am Ellbogen fest.
„Wo gehst du hin?“
„Ich … Den nächsten Tanz habe ich versprochen.“
„Jetzt nicht mehr.“
„Anthony, du kannst doch nicht …“
Der junge Mann, dem sie den Tanz versprochen hatte, näherte sich ihnen, und Anthony fixierte ihn einfach mit einem eisigen Blick. Der Arme errötete ein wenig, zögerte und verbeugte sich dann, bevor er undeutlich eine Entschuldigung stammelte und zurückwich. Anthony wandte sich wieder seiner Frau zu.
„Wollen wir?“
Hin- und hergerissen zwischen Belustigung und Ärger schüttelte Claudia den Kopf. „Das war abscheulich.“
„Ja, wahrscheinlich.“
„Du hattest kein Recht dazu.“
„Ganz im Gegenteil. Ich hatte das Recht des Ehemannes.“
Sie hob trotzig das Kinn. „Du bist wirklich schamlos.“
„Ach, ist dir das auch schon aufgefallen?“
Ohne weitere Worte zog er sie in seine Arme und begann den nächsten Tanz mit ihr, und dann noch einen. Wieder vergaß sie alles andere außer der Musik, dem zauberhaften Moment und dem aufregenden Mann an ihrer Seite. Schließlich endete auch dieser Tanz, aber Anthony hielt sie noch immer fest.
„Es ist warm hier. Lass uns an die frische Luft gehen.“
Er führte sie auf die Terrasse hinaus, wo zwei weitere Paare vor der Hitze im Ballsaal geflohen waren. Anthony achtete nicht auf sie, sondern zog Claudia weiter in den Garten hinein, wo sie ungestört sein konnten. Als er vor ihr stehen blieb, klopfte ihr das Herz bis zum Hals.
„Warum hast du mich hierher gebracht, Anthony?“
„Ich möchte den Vorwurf der Heuchelei widerlegen.“
„Und wie willst du das …“
Sie kam nicht dazu, ihren Satz zu beenden, weil sie sich plötzlich heftig in seine Arme gerissen fühlte und er den Mund auf ihren presste. Jeder Versuch, Widerstand zu leisten und ihn von sich zu schieben, wurde ignoriert, bis sie jeglichen Widerstand aufgab.
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