Historical Weihnachten Band 01: Das Geschenk der heiligen Nacht / Die Winterbraut / Licht der Hoffnung
von ihm sogar zwingen lassen, ihren Verstand und ihr Ehrgefühl zu verlieren, um sich der Lust hinzugeben.
Aber da war auch noch Nicolette.
Hilflos spürte Joan, wie ihr Tränen über die Wangen liefen. „Nicht“, flüsterte sie.
Plötzlich ließ Edmund sie los und stieß ihre Hände weg. Sie sprang auf und stolperte davon bis zur gegenüberliegenden Höhlenwand. Als sie zu ihm schaute, brachte er eben seine Kleidung in Ordnung.
Ruhig sah er ihr in die Augen. „Lasst Euch dies eine Lehre sein, Lady Joan, damit Ihr beim nächsten Mal nicht wieder so herablassend über schwache, empfängliche Frauen redet.“
Nach einem kurzen Augenblick des Schocks hob sie einen Stein auf und schleuderte ihn auf Lord Edmund.
Der duckte sich schnell, sodass der Stein hinter ihm die Felswand traf. „Macht das nie wieder!“ Es war keine freundliche Bitte, die sie von ihm zu hören bekam.
„Ihr seid ein gehässiger Mann! Wie könnt Ihr so etwas machen, wo Ihr doch Nicolette liebt?“
„Was kümmert mich Nicolette of Woldingham?“
„Aber … oh!“ Sie wünschte, sie hätte den Mut, noch einen Stein nach diesem herzlosen Rohling zu werfen. „Sie liebt Euch!“
„Nein, das stimmt nicht. Sie liebt meinen Bruder Gerald. Ich freue mich schon darauf, Euch mit ihm bekannt zu machen. Zumindest er hat Eure spitze Zunge verdient.“
„Euer …“ Sie stieß einen entrüsteten Schrei aus. „Ihr hättet mir das sagen sollen!“
„Und Ihr hättet nicht mit Euren bösartigen Mutmaßungen meine Ehre beleidigen sollen.“
Joan legte die Hände vors Gesicht, um ihre zitternde Unterlippe zu verdecken, gleichzeitig gestand sie sich ein, dass er sie zum Narren gehalten hatte. Mühelos war ihm das gelungen, und sie war darauf hereingefallen. Und selbst jetzt, wo sie eine Mischung aus Schock, Wut und Verlegenheit verspürte und von der Gewissheit erfüllt war, Edmund de Graves bis an ihr Lebensende zu hassen, bereitete ihr der Gedanke ein sonderbar wohliges Gefühl, dass er wenigstens nicht Nicolettes Geliebter war.
Du bist eine Närrin, ermahnte sie sich. Eine Närrin! Selbst wenn er ungebunden wäre, hätte er an ihr kein Interesse, und umgekehrt würde sie ihn nicht einmal dann haben wollen, wenn er ihr von einem Chor aus sechsflügeligen Engeln auf einem goldenen Tablett präsentiert würde.
Er fand seinen Becher wieder und füllte ihn mit Met. „Ich hoffe, Ihr habt hieraus gelernt, Heilige Joan. Verführung ist eine Leichtigkeit, vor allem für einen Mann mit gefälligem Äußeren. Ihr Frauen“, fügte er mit einem Seitenblick in ihre Richtung hinzu, „seid alle zu leichtgläubig.“
Sie legte ihre Finger um einen weiteren Stein von der Größe einer geballten Faust, doch sie erkannte eine Drohung, wenn sie ausgesprochen wurde. Dieser Mann dort würde sofort Vergeltung üben. Missmutig gestand sie sich ein, dass sie sich vor ihm so sehr fürchtete wie noch vor keinem anderen Mann – und dass sie jemanden gefunden hatte, der es mit ihrer Willensstärke und ihrer Bissigkeit aufnehmen konnte. Doch sie würde lieber sterben, bevor sie ihn das wissen ließ. Um ihre Missbilligung zu demonstrieren, drehte sie ihm den Rücken zu.
Er lachte leise, und dann hörte sie, wie er die Höhle durchquerte. Ihre Haut kribbelte vor Unbehagen, doch ehe sie sich versah, hatte er den Vorhang zur Seite geschoben und war nach draußen gegangen.
Zuerst empfand sie Erleichterung, dann regte sich Angst in ihr. Was, wenn er sie hier allein zurückließ?
Aber sein Pferd war noch da und fraß gemächlich Heu. Über Männer wusste sie gut Bescheid, immerhin hatte sie fünf Bruder, sodass seine Zurechtweisung bei ihr keinen nennenswerten Eindruck hinterließ. Daher war ihr klar, dass kein Mann sein Pferd oder seine Rüstung allzu lange allein lassen würde.
Da sie aber nun einen Moment ganz für sich hatte, schlang sie die Arme um sich und ließ ein paar Tränen freien Lauf, Tränen der Angst, vor allem aber auch der Scham.
Sie hasste diesen Mann, doch sie hasste sich selbst noch viel mehr, so eine leichte Beute abgegeben zu haben, weil dieser neu entdeckte, dumme Teil ihres Wesens seinen Lügen hatte glauben wollen.
Die Lüge, dass sie hübsch sei, wenn sie wütend wurde.
Dass sie bei einem Mann wie Edmund de Graves augenblicklich Leidenschaft auslösen konnte.
Vor allem aber waren die Tränen ein Zeichen für ihre ohnmächtige Wut. Oh, wie sehr wünschte sie sich, sich in dieser Situation anders verhalten zu können und die Überlegene zu
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