Historical Weihnachten Band 6
nimmt, und der Herr gibt“, brummte er.
In der Ferne hörte sie das Donnern des Wasserfalls, und ihr Gesicht erhellte sich. „Schau nur, dort ist Stratheas, Brighdes Turm.“
Duncan brachte das Pferd zum Stehen und betrachtete den Turm, der am Anfang einer Schlucht lag. „Wie kommen wir dort hinauf?“, fragte er und musste dabei fast brüllen, um über den tosenden Wassermassen, die sich aus gut hundertfünfzig Fuß von der Bergspitze in die Tiefe stürzten, gehört zu werden. Der Wasserfall mündete in einem See am Fuß des Turms.
„Es gibt dort drüben einen schmalen Pfad.“ Sie ritten hinauf, und Kara erzählte ihm, wie Donalds Urgroßvater hierhergekommen war, um den Turm zu bauen. „Er war der Cousin meines Großvaters – auf die ein oder andere Weise sind wir alle hier im Tal miteinander verwandt –, und er war ein Einzelgänger, der einen Ort gesucht hat, an dem er allein sein konnte.“
„Nun, hier hat er ihn sicher gefunden.“
Sie hatten gerade die Hälfte des Pfads hinter sich gebracht, als ihnen ein Reiter entgegenkam.
„Gott sei’s gedankt, dass ihr da seid!“, rief der alte Ned.
„Es geht um Brighde, nicht wahr?“, fragte Kara besorgt.
„ Aye. Sie liegt in den Wehen, aber das Kleine hat sich verdreht. Diedre hat gerade erst das Pferd gesattelt und mich losgeschickt, um Hilfe zu holen.“
Kara musste nicht mehr wissen; sie lenkte ihr Pferd an Ned vorbei und galoppierte in Richtung des Turms. Duncan war direkt hinter ihr. Kaum dass sie angekommen waren, sprang er aus dem Sattel und half Kara abzusitzen.
„Brauchst du irgendetwas?“
„Bete für Brighde.“ Kurz drückte sie seine Hand und rannte dann in den Turm hinein. Sie nahm mehrere Stufen auf einmal und platzte wenig später in das große Schlafgemach. Eine Welle aus heißer Luft trieb sie fast wieder hinaus. Es stank nach Angst und Hilflosigkeit. „Brighde?“
„Kara!“, rief Brighde.
„ Aye. Ich bin bei dir.“ Sie durchquerte den dunklen Raum und schob sich an den Frauen vorbei, die um das Bett herumstanden. Ein Blick auf die Frau auf dem Bett genügte, und ihr Herz zog sich zusammen.
Brighdes Gesicht war aschgrau und ihre Lippen völlig zerbissen. In ihren eingesunkenen Augen las Kara Schmerz und Hoffnungslosigkeit, die schlimmer waren als Gift, denn sie zerstörten nicht Brighdes Körper, sondern ihren Willen.
„Nun, es sieht so aus, als könnte das Kleine es kaum erwarten, bei uns zu sein“, sagte Kara.
„Ich … ich weiß nicht“, erwiderte Brighde kraftlos. „Es dauert schon so lange … Ich fürchte …“
„Davon will ich nichts hören“, erwiderte Kara harsch. Sie schickte die Bediensteten fort, um heißes Wasser, Handtücher und noch ein paar andere Dinge zu besorgen, die sie eigentlich gar nicht brauchte. Hauptsache, es kam endlich wieder etwas Leben in diesen Raum, der im Augenblick mehr einer Gruft glich als einem Schlafgemach.
Wilma, die Hebamme, zog Kara beiseite und flüsterte: „Das Kind liegt falsch. Es kommt mit den Füßen voran.“ Sie machte ein Zeichen, um den Teufel abzuwehren. „Am besten wäre es, wir lassen es einfach gehen.“
„Wie bitte?“ Kara sprach so laut, dass alle zusammenfuhren und sie ansahen. Wütend schob sie die kräftig gebaute Frau aus dem Zimmer. „Mach, dass du rauskommst.“
„Mit Freuden.“ Wilma plusterte sich derart auf, dass es so aussah, als würde ihre Brust jeden Augenblick explodieren. „Ich werde nicht dabei stehen, wenn …“
Kara stellte sich vor Wilma und starrte ihr in das verschwitzte Gesicht. „Du wirst gehen und dabei keinen Ton sagen. Wenn ich auch nur ein Wort von dir gegen Brighde oder ihr Kind höre, werde ich … werde ich Morag aufsuchen, damit sie einen Zauber über dich ausspricht.“
Wilma quiekte vor Angst und drehte sich auf dem Absatz um. Mit wehenden Röcken und wackelndem Doppelkinn rannte sie den Flur entlang, fort von Brighdes Gemach.
Eine dunkle Gestalt löste sich aus den Schatten am Ende des Flures. „Kara, stimmt etwas nicht?“, fragte Duncan.
Kara sackte gegen die offene Tür. Nichts war so, wie es sein sollte. Ihre Freundin litt unter starken Schmerzen und starb womöglich, und sie selbst fühlte sich so hilflos. „Ich …“
„Ganz ruhig. Sag mir, was ist los?“ Er schlang den Arm um ihre Taille.
„Das Kind liegt falsch herum und steckt fest.“ Sie lehnte die Stirn gegen seine Brust und spürte, wie seine bloße Gegenwart ihr mehr Kraft gab.
„Kannst du es umdrehen?“
Plötzlich hob Kara
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