Historical Weihnachten Band 6
sanfterem Tonfall, und er entschuldigte sich sofort für seine Geistesabwesenheit.
„Verzeiht, ich wollte Euch eben nicht verletzen, Sir Myles. Was ich sagte, hat schärfer geklungen, als es gemeint war.“
„Ich bitte Euch, Mylady, ich bin doch keine Mimose. Ihr glaubt gar nicht, was ich mir schon alles anhören musste. Unangenehme Wahrheiten kann ich verkraften.“
Giselle musste einen neuen Anlauf unternehmen, wenn sie nicht missverstanden werden wollte. „So grüblerisch habe ich Euch bis jetzt noch nicht erlebt“, begann sie wieder.
„Würde es Euch überraschen, zu hören, dass ich gerade über die Liebe nachgedacht habe?“
„Allerdings!“
„Nun, Lady Elizabeth Cowton ist sehr verliebt, wusstet Ihr das?“
Das war allerdings eine Neuigkeit, wenn auch keine unerwartete. Ihr Verhalten Myles gegenüber hatte die Vermutung bereits nahegelegt, dass die edle Dame ein Auge auf ihn geworfen hatte. Giselle hätte erleichtert sein sollen, doch zu ihrer eigenen Überraschung empfand sie vielmehr schmerzliche Enttäuschung.
„Nicht in mich, natürlich.“
„Elizabeth Cowtons Gefühle gehen mich nichts an“, erwiderte Giselle ein wenig zu schnell und ein wenig zu heftig, um unbeteiligt zu klingen.
„Schade. Wäret Ihr denn gar kein bisschen eifersüchtig?“
„Warum sollte ich? Ich vermute, viele Frauen finden Euch attraktiv, aber ohne ausreichende Mitgift können sie nur von Euch träumen. Ich persönlich finde es nicht richtig, dass Geld eine so große Rolle spielt, wenn es um die Ehe geht.“
„Geld spielt leider immer eine Rolle. Vor allem, wenn man keines hat.“
Giselle betrachtete Sir Myles mit einer gewissen Neugier. „Das klingt, als sprecht Ihr aus Erfahrung, obwohl Eure Familie eine der reichsten des Landes ist.“
„Mein Vater ist gewiss wohlhabend“, erwiderte Sir Myles, ohne sie dabei anzusehen. „Meinen Brüdern mangelt es an nichts, aber bei mir sieht die Sache ein wenig anders aus. Mein Vater hat mir ein Schloss und Ländereien übereignet, aber das Geld muss aus anderen Quellen kommen.“
Seine Offenheit beeindruckte Giselle, und ebenso erstaunt, ja geradezu gerührt war sie darüber, dass er anscheinend keinerlei Bitterkeit gegenüber seinem Vater empfand. Ihr Herz wollte sich ihm öffnen, während ihr Verstand sie vor diesen Gefühlen warnte.
Sie durfte ihn nicht an sich heranlassen, wenn sie nicht verlieren wollte, was ihr so wichtig war.
„Und solch eine Quelle wäre beispielsweise die Mitgift einer Frau.“
„Ja“, sagte er mit überwältigender Offenheit.
„Wenn Ihr mich heiratet, verfügt Ihr also über eine Menge Geld; mein Geld, das mir jedoch nie wirklich gehört hat. Mein Onkel hat es bisher für mich verwaltet, und nun soll es mir genommen werden, noch bevor ich selbst darüber bestimmen konnte.“
„Ihr könntet, wenn Euer Mann Euch in alle Entscheidungen mit einbezieht.“
„Das würdet Ihr tun, wollt Ihr damit sagen?“
„Selbstverständlich“, versicherte er aufrichtig.
Giselle aber konnte die Warnungen ihres Verstandes nicht ignorieren.
„Ihr würdet also meinen Entscheidungen vertrauen, werft aber meinem Onkel vor, dass er mich bei der Wahl meines Ehemannes mitreden lässt. Ich finde das nicht folgerichtig.“
„Ich schon.“
„Und wieso? Wer sagt mir, dass Ihr Wort haltet? Es könnte doch sein, dass Ihr alles in dem Moment vergesst, da Ihr den Ehevertrag unterzeichnet. Ich höre noch, wie meine Freundin Cecily von ihrem Verlobten geschwärmt hat, davon, wie zuvorkommend er war, dass er ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen und sie auf Händen getragen hat. Ich habe noch die Briefe oben in meinem Zimmer, in denen sie schrieb, wie sie sich auf die Hochzeit freue und wie glücklich sie werden würde.“
„Und nun ist sie unglücklich?“
„Das liegt doch nahe! Zumindest habe ich seitdem nie wieder etwas von ihr gehört. Sie schreibt nicht mehr und besucht mich auch nicht, obwohl ich sie schon wer weiß wie oft eingeladen habe. Das sieht ihr überhaupt nicht ähnlich, sie war für mich wie eine Schwester. Ich weiß genau, sie würde kommen, wenn ihr Ehemann es ihr erlaubte.“
„Ich will nicht bestreiten, dass es Männer gibt, die viele Lügen erzählen, um eine Frau zu erobern. Zu dieser Sorte gehöre ich aber nicht. Ich verspreche Euch, Ihr würdet an meiner Seite alle Freiheiten genießen, die eine verheiratete Frau sich vernünftigerweise wünschen kann.“
Giselle warf ihm einen durchdringenden Blick zu. „Und was
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